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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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schien direkt in Neles Fenster, die Gardine war nicht zugezogen, und daher hatte er genug Licht, um zu sehen, dass ihr Bett leer und unbenutzt war.
    Ihm war, als ob in diesem Moment ein Schraubstock seinen Brustkorb zusammendrückte und ihm den Atem nahm.
    »Nele!«, flüsterte er. »Min Deern! Wo bist du denn?«
    Jetzt machte er in Neles Zimmer, im Flur und im Treppenhaus Licht. Langsam ging er die Treppe hinunter in die Küche, suchte seine Lesebrille, die auf dem Rätselheft lag, und sah auf die Uhr. Halb vier. Das Fest war lange zu Ende, und Nele war noch nicht zu Hause. So etwas hatte es noch nie gegeben.
    So schnell er es mit seinem schwachen Herzen schaffte, rannte Bruno die Treppe hinauf ins Schlafzimmer und zog sich mit fliegenden Händen an. Er bekam kaum die Knöpfe seiner Hose zu, so zitterten seine Hände.
    Dann lief er aus dem Haus und die Dorfstraße hinunter.
    »Nele!«, rief er immer wieder. Aber er bekam keine Antwort. Die Eschen rauschten im Wind, ansonsten hörte er keinen Laut. Noch nicht mal ein Auto war um diese Zeit unterwegs.
    »Nele!« Dem alten Schmied liefen die Tränen über die Wangen, denn im Grunde seiner Seele wusste er, dass es aussichtslos war.
    Schließlich klingelte er bei Uwe, dem Bürgermeister.
    Es dauerte einige Minuten, bis Uwe öffnete.
    »Bruno! Wat is?«
    »Nele is verschwunden. Sie ist nich zu Hause, nich in ihrem Bett.« Jetzt weinte Bruno richtig.
    »Komm rein!«, sagte Uwe und trat zur Seite.
    Sie setzten sich in die Küche. Uwe holte eine Flasche Korn und schraubte sie auf.
    »Erzähl!«, sagte er.
    »Da gibt’s nichts zu erzählen. Ich bin um halb zwölf vom Fest weg. Nele wollte noch nicht mit, sie hört doch so gern die Musik, und sie tanzt auch ab und an. So ganz für sich, weißt du?«
    »Ja, ich weiß.«
    »Ich bin also nach Hause und hab Nele gesagt, bleib man nich allzu lange. Sie hat genickt. Ich bin dann gleich ins Bett und eingeschlafen. Und eben bin ich aufgewacht, nur wegen so einer Ahnung, weiter nichts, aber ich bin aufgestanden und hab gesehen, dass sie nicht da ist. Noch gar nicht da war. Bin auch schon durchs ganze Dorf gelaufen und hab sie gerufen, aber da is sie nich.«
    »Pass auf, Bruno«, sagte Uwe und goss ihm einen Doppelten ein, »jetzt mitten inne Nacht können wir gar nichts machen. Im Dunkeln suchen geht ja gar nicht. Also mach dir man keine Sorgen. Vielleicht is sie bei’nem Freund. Wenn sie morgen Vormittag nicht wieder auftaucht, suchen wir. Okay?«
    Bruno schüttelte den Kopf.
    »Versuch dich zu beruhigen und noch ein paar Stunden zu schlafen. Ich kann dir jetzt auch nicht helfen.« Uwe stand auf. »Lass man den Kopp nich hängen, Bruno. Wird alles gut.« Er gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.
    Bruno stand auf, ließ den Schnaps stehen und ging stumm aus der Küche.
    Uwe sah ihm nach, wie er die Dorfstraße hinunterging. Vollkommen kraftlos und noch gebeugter als sonst.
    Düvel noch eins, dachte der Bürgermeister und wusste in diesem Moment, dass nichts gut werden würde.
     
    Mittags um halb eins schüttelte Henning Engelbert wach.
    »Los, komm, steh auf! Es ist etwas passiert!«
    Engelbert schlug mühsam die Augen auf. »Mein Kopf!«, flüsterte er.
    Henning drückte ihm zwei Aspirin in die Hand und half ihm, die Tabletten mit Wasser zu schlucken, indem er seinen Kopf stützte.
    »Bist du einigermaßen bei Verstand? Kann ich reden?«
    Engelbert nickte und schob sich das Kopfkissen in den Rücken, um aufrechter sitzen zu können, aber er verzog vor Schmerz das Gesicht.
    »Nele ist tot«, sagte Henning, »sie ist heute Morgen im Siel gefunden worden. Noch weiß man nicht, warum sie ertrunken ist. Ob es Selbstmord, Mord oder ein Unfall war.«
    »Ich versteh nicht«, murmelte Engelbert.
    »Dann werd ich’s dir erklären. Erinnerst du dich noch an den Schuppen gestern?«
    Engelbert nickte.
    »Als ich abgehauen bin, warst du noch bei Nele. Was hast du mit ihr gemacht, verdammte Scheiße?«
    Engelbert suchte in seinem schmerzenden Schädel nach einer Erinnerung. Da war der Schuppen. Ja. Und Nele am Boden mit vor Angst weit aufgerissenen Augen. Er hatte ihr Mund und Nase zugedrückt, damit sie nicht schrie. Da war kein weiteres Bild, nur diese Augen.
    »Was hast du gemacht?«, zischte Henning und schüttelte ihn.
    »Ich weiß nicht …«
    »Na los! Überleg! Hast du sie vergewaltigt?«
    Engelbert rieb sich die Augen. »Das kann sein, Henning, bitte, ich weiß es wirklich nicht …«
    »Oh Mann!« Henning schlug mit

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