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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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loszuwerden: Sex. Dann würde er die blutigen Schafe aus dem Kopf bekommen, Ietris sandverklebte Haare, den Anschlag. Agnese, die ihn wie einen Loser behandelt, und das Ohrfeigengesicht des Psychologen. Das würde reinen Tisch machen.
    Er tritt zu den Soldaten und fragt sie, wie man die Frau findet.
    Nach dem Abendessen geht er hin. Er folgt den Auskünften, und die führen ihn zu einer Blechhütte in einer abgelegenen Zone in der Nähe des Gefängnisses. An der Tür ist mit Tesa ein Blatt befestigt, auf dem
Wellness Center
geschrieben steht. Geschäftszeiten sind nicht angegeben.
    Cederna klopft an, aber niemand antwortet. Er drückt die Tür auf.
    Eine Frau rekelt sich, eine Zigarette rauchend, auf einem Plastikstuhl. Die weiße Schürze, die sie über einer Fleecejacke trägt, lässt sie aussehen wie eine Köchin. Die Gesichtszüge sind weder europäisch noch asiatisch. Die Arme unter der Jacke müssen schlaff und fleischig sein.
    «Massage?», fragt Cederna.
    Die Frau nickt hinter dem Schleier aus Rauch. Sie bedeutet ihm mit der Hand, er solle warten. Dann steht sie auf, drückt die Zigarette aus und schiebt einen Vorhang beiseite, der den Raum in zwei Teile teilt. Auf der hinteren Seite steht eine Bank mit gefalteten Handtüchern darauf und auf dem Boden eine Schale mit Wasser, in der vier Blütenblätter schwimmen.
    «Ten dollars for thirty minutes.»
    «Hä?»
    «Ten dollars. Thirty minutes», wiederholt die Frau, die Silben einzeln betonend.
    Cederna kennt die Stundenlöhne von Masseusen nicht, und von denen der Prostituierten hat er nur eine vage Vorstellung, aber das ist in seinen Augen schlichtweg Diebstahl. Zehn Dollar! Nichts auf der Militärbasis kostet so viel. Aber er hat eine verzweifelte Lust, diese Hände auf seinem Körper zu spüren. «Okay», sagt er und steuert auf die Bank zu. Die Frau hält ihn auf. «First, you pay.»
    Gierige Hyäne! Cederna sucht im Portemonnaie. Er zeigt der Frau eine Fünfernote. «Five euros. Like ten dollars.»
    Sie schüttelt streng den Kopf. «Ten dollars, ten euros.»
    «Ist gut, ist gut. Verflucht noch mal.» Er drückt ihr einen zerknitterten Zehn-Euro-Schein in die Hand, als ob sie ihn berauben würde. Die Frau verzieht keine Miene. Sie fordert ihn auf, sich auszustrecken. «Undress», befiehlt sie ihm.
    «What?»
    «Undress yourself. You naked», erklärt sie mit Gesten, dann zieht sie den Vorhang vor und lässt ihn allein.
    Das ist genau die Sorte von Ort, wo das geschieht, was er jetzt braucht. Er hält eines der Handtücher gegen das Licht und betrachtet es, es hat stark abgenutzte, fast durchsichtige Stellen, er führt es ans Gesicht und riecht daran. Er empfindet ein unbestimmtes Unbehagen. Wenn Ietri noch am Leben wäre, wären sie zusammen hierhergekommen. Für den Gefreiten wäre es die Chance gewesen, er hätte seinen Spitznamen «Jungfräulein» ablegen können. Oder nicht. Cederna hätte ihn auch weiterhin so genannt. Sie hätten gemeinsam etwas getrunken, und er hätte ihn nach den Einzelheiten ausgepresst. Ihm ist schwindlig, er muss sich an der Liege festhalten, um nicht umzukippen. Warum fällt ihm das immer wieder ein? Er hat überhaupt keine Absicht, sich ein Gespenst aufzuhalsen. Er muss es sofort verscheuchen.
    Er öffnet den Gürtel. Er zieht sich rasch aus, nicht jedoch ohne die Kleidungsstücke sorgfältig zusammenzulegen. Er muss sich auf sich selbst konzentrieren, sonst kommt man im Leben nicht voran. Er hat zehn Euro ausgegeben, und es ist besser für ihn, dass er sie bis zur Neige auskostet. Er zieht auch die Unterhosen aus. Nackt steht er da, unschlüssig, was er tun soll. Vielleicht hätte er sich nicht ganz ausziehen sollen, die Masseuse hat nichts von der Unterwäsche gesagt. Auf einmal überkommt ihn Verlegenheit. Er zieht die Boxershorts wieder an und streckt sich auf der Bank aus, aber sofort überlegt er es sich anders. Er springt herunter, zieht sie aus und legt sich auf den Bauch, das Handtuch über den Hintern gebreitet.
    «Ready?», fragt die Stimme auf der anderen Seite.
    Die Massage beginnt bei den Extremitäten. Cederna wundert sich, wie viel Kraft die Frau hat. Sie steckt die Finger einen nach dem anderen in die Zwischenräume der Zehen, dann zieht sie daran, als wolle sie ihm die Zehen ausrenken. Mit dem Daumen drückt sie auf eine Stelle in der Mitte der Fußsohle, von wo blitzartig ein Schauder ausgeht, der den Soldaten bis zum Kopf durchläuft. Dann kommt sie zu den Waden. Die mit duftendem Öl eingeriebenen Hände

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