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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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nicht stumm. Ich kann reden, so viel ich will. Bla, bla, bla, bla. Haben Sie gesehen? Und noch einmal Bla, bla, bla, bla. Nur
Ihnen
habe ich nichts zu sagen, Herr Korvettenkapitän.» Jetzt wird der Psychologe ihn entlassen, und diese Farce wird ein Ende haben. Soll er doch dann seinen giftigen Bericht schreiben. Cederna hat einen Lebenslauf, bei dem jede Kommission große Augen kriegt. Für die Aufnahme in die Spezialeinheiten werden sie diesen psychologischen Quatsch bestimmt nicht anschauen.
    Finizio hebt den Kopf, er wirkt nun weniger versöhnlich. «Ich habe erfahren, dass Sie es waren, der Ihre Freunde eingesammelt hat», sagt er unvermittelt, «das muss eine sehr schmerzliche Aufgabe gewesen sein.»
    «Wer hat Ihnen gesagt, dass das meine Freunde waren?»
    «Auch ihnen haben Sie nicht erlaubt, Sie Francesco zu nennen?»
    «Das geht Sie nichts an, wie sie mich genannt haben.»
    «Haben sie auch nach Pipi gerochen?»
    «Halten Sie den Mund.»
    Finizio sieht sich eine Karteikarte an. «Ich glaube, sie waren Ihre Freunde. Vor allem einer. Ich muss mir seinen Namen irgendwo notiert haben … ach da. Gefreiter Roberto Ietri. Ihr wart …»
    «Vergessen Sie’s.»
    «Hier heißt es, dass ihr …»
    « ICH HAB GESAGT , DU SOLLST DIE KLAPPE HALTEN , DU IDIOT !»
    Der Psychologe bleibt unerschütterlich. «Wollen Sie darüber reden? Über den Gefreiten Ietri?»
    Das Blut saust ihm in den Ohren. Es ist das erste Mal, dass Cederna ausdrücklich an Ietri denkt, seitdem er dem Toten ins Ohr geflüstert hat. Die Stirn war schon kalt, als er sie berührte, die Fasson der Koteletten war noch sichtbar, ein bisschen rausgewachsen, Ietri war nicht erfahren genug, die Kontur sauber zu halten. Er hatte nicht die Zeit, es zu lernen.
    Ohne es zu bemerken, steht er auf. Nun überragt er den Offizier um eine halbe Körperlänge. «Kann ich Ihnen wirklich sagen, was mir durch den Kopf geht, Herr Kapitän?»
    «Sie müssen es, ich bitte Sie darum.»
    «Es geht mir durch den Kopf, dass Sie ein widerwärtiges Stück Scheiße sind. Sie kommen daher und sagen mir, der Schmerz lässt uns verstummen. Wen
uns
? Sie waren nicht dabei. Sie waren anderswo. Auf einem dieser Schiffe, um Ihre bescheuerten Handbücher der Psychologie zu lesen. Ich kenne solche wie Sie, wissen Sie,
Herr Korvettenkapitän
? Die an der Universität studiert haben. Ihr glaubt, ihr wisst alles. Aber ihr wisst nichts. GAR NICHTS ! Es macht Ihnen Spaß, in den Kopf von jemand anderem einzudringen. In der Scheiße zu rühren. Sie möchten, dass ich Ihnen meine Privatangelegenheiten erzähle. Das hätten Sie gern, ja. Und unter dem Tisch wären Sie ganz geil. Ein hässlicher, schielender Scheißperverser. Wagen Sie nie mehr, vor mir den Gefreiten Ietri zu nennen, verstanden? Er war so, wie ein Mann sein soll. Sie haben an die falsche Tür geklopft, Herr Psychologe. Es gibt eine Menge Schwuler hier, suchen Sie sie da draußen. Bedauerlich für Sie, aber ich bin keiner von ihnen. Ich spreche nicht mit dem Erstbesten über meine Angelegenheiten. Ende der Unterredung.»
    Als er die Tür knallend aus der Mensa kommt, würde er sich gern mit jemandem prügeln, Kopfstöße austeilen, schlagen, schießen, töten. Stattdessen eilt er in die Kneipe, wo er das Getränk bestellt, das dem Alkohol am nächsten kommt: eine Dose Red Bull. Doch das reicht nicht, um seinen Geist durchzuspülen. Ietri kommt ihm wieder in den Sinn, als Toter und als Lebender. War er wirklich ein Freund? Mit Sicherheit war er das einem Freund Ähnlichste, was er in der letzten Zeit hatte finden können. Als Erwachsener hat man keine wirklichen Freunde mehr, das ist die ganze bittere Wahrheit. Die schönsten Jahre hast du hinter dir, und du gibst dich mit dem zufrieden, was übrig bleibt. Bloß war Ietri etwas Besseres als ein Überbleibsel. Aber was ist denn mit ihm los? Er wird ja zur Heulsuse. Das Jungfräulein ist nicht mehr, aus, basta, es ist an der Zeit, der Realität ins Gesicht zu blicken, mit eiserner Miene.
    Während er vergeblich versucht, sich zu beruhigen, lauscht er einem Gespräch zwischen zwei Marines. Er versteht die Worte nicht recht, aber er hört, wie sie eine Masseuse erwähnen, eine, die im Camp praktiziert. Eine Masseuse in einem Militärlager, das heißt für Cederna nur eins, und in der Tat wirken die beiden recht angeregt, während sie darüber reden, und sie machen unmissverständliche Gesten mit den Händen. Ja, das ist es, was er braucht, um die ganze Wut, die er im Leib hat,

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