Der menschliche Körper
der Frau von Camporesi, stimmt das?»
«Nein.»
«Es heißt aber so.»
«Ich helfe ihr im Garten. Sie ist allein geblieben.»
Zampieri tippt sich mit der Gabel auf die Unterlippe. «Findest du das eigentlich anständig?»
«Du bist auf dem Holzweg, Zampieri.»
«Ich habe einmal einen Film gesehen, in dem etwas Ähnliches passierte. Er ging sehr schlecht aus.»
Er ist sich nicht sicher, aber ihm scheint, dass die Jungs ihn seit diesem Tag eher meiden. Er bemüht sich, nicht daran zu denken. Er hat nichts Schlechtes getan, nur einer Mutter in Schwierigkeiten Hilfe angeboten. Was die Motive betrifft, die ihn zu so viel Eifer antreiben, so ist niemand imstande, sie zu erraten, und noch weniger, sie zu verstehen, sie gehen nur ihn etwas an.
Es kann auch sein, dass die Jungs wegen etwas anderem durcheinander sind. Die Ersatzmänner aus anderen Kompanien sind angekommen, und bisher haben Renés Bemühungen, ein Klima der Zusammenarbeit herzustellen, nicht ausgereicht. Er selbst zeigte sich am Anfang ihnen gegenüber abweisend, hatte Mühe, sich ihre Namen zu merken, musste sie dauernd bitten, sie zu wiederholen, und hatte ihnen vermutlich nicht gerade das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein. Die Alten essen auf der einen Seite, die Neuen auf der anderen. Die Alten trainieren auf der einen Seite, die Neuen auf der anderen. Die Alten sind der Ansicht, dass die Neuen nicht in der Lage sind, auch nur ansatzweise zu verstehen, was sie durchgemacht haben – und vermutlich haben sie recht –, die Neuen halten das für keinen guten Grund, sich schlecht behandeln zu lassen, und lassen sich allerlei einfallen, um zu zeigen, dass die Ablehnung auf Gegenseitigkeit beruht. Die gesamte Situation ist frustrierend. Der Feldwebel hatte große Pläne für seinen Zug, er war überzeugt, dass er an Gewandtheit und Glanz gewinnen würde, stattdessen ist er dabei zu zerfallen.
Vielleicht ist es Zampieris Unverschämtheit, die ihm den letzten Anstoß gibt, selbst auch ein bisschen forscher zu werden. Eines Nachmittags schlägt er Flavia vor, was er ihr innerlich schon seit Wochen vorschlägt, aber so, als käme er im Moment erst auf die Idee: «Hättest du Lust, essen zu gehen, wir beide, an einem der nächsten Abende?»
Sie taucht aus einem ihrer Abwesenheitszustände auf. Sie sieht René an wie einen Unbekannten, der sich unbemerkt eingeschlichen hat, in einem Anflug von Ekel kräuseln sich ihre Lippen, dann verlässt sie den Raum, ohne etwas zu sagen. Beim Abschied befiehlt sie ihm eisig, nie mehr wiederzukommen.
Jedes Jahr Ende Juli veranstaltet die Kaserne von Belluno sportliche Wettkämpfe. Die sechshundert Soldaten, die daran teilnehmen, tun das nicht aus Zwang und auch nicht zu ihrem Vergnügen, sondern weil die außerdienstlichen Aktivitäten Punkte für das Fortkommen auf der Karriereleiter bringen. Die Wettkämpfe ziehen Journalisten von der lokalen Presse und verschiedene Sponsoren an, die üppige Preise aussetzen, um das eigene Firmenlogo groß auf den Trikots prangen zu sehen. Rund um das Ereignis wird eifrig gewettet, Ballesio ist im Bilde und unternimmt nichts, um das heimliche Treiben zu unterbinden, weil er das Glücksspiel ebenso wie andere männliche Laster als Teil des Stammbaums jedes guten Soldaten betrachtet.
Dieses Jahr gab es das Gerücht, der Oberst habe beim sommerlichen Biathlon zwanzig Euro auf Masiero gesetzt. Die Buchmacher, unter denen Enrico Di Salvo ist, sehen den Hauptmann bei einer Quote von drei zu eins als den absoluten Favoriten, während René, der immer ein ernstzunehmender Gegner gewesen war, gerade mal mit neun bewertet wird. Das Urteil über den Feldwebel ist symptomatisch für die psychophysische Verfassung, in der er sich befindet: sichtbar dicker geworden, untrainiert, nervös. Keiner von seinen Männern hat einen Cent auf seinen Sieg gesetzt, und ihm ist das durchaus bewusst.
Deshalb ist er selbst völlig überrascht davon, dass er im zweiten Teil des Wettkampfs aufholt. Ohne sonderliche Anstrengung lässt René Masiero rund zehn Meter hinter sich und erzielt im Schießen eine höhere Punktzahl, indem er bei vier Scheiben ins Schwarze trifft. Es ist das erste Mal, dass er diesen idiotischen Wettbewerb gewinnt, und das erste Mal, dass ihm nichts daran liegt.
Auf dem Podest allerdings genießt er es, auf den kahlen Schädel des Hauptmanns hinabzuschauen. Die Soldaten applaudieren, und die Gruppe seiner Leute ist gut zu erkennen, denn sie sind wie außer Rand und Band. Auch
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