Der menschliche Körper
Schmuserei und sonstiges Gedöns, keine Minute länger hältst du es aus in diesem Zimmer, weil du drohst zu ersticken, weißt du? – Nein, du hast keine Ahnung, wovon ich rede, das sieht man dir an den Augen an – nein, du weißt es nicht, aber auch mir ging das früher nicht so, ich war immer eher … na ja, lassen wir das – nein, mit Spaßmachen hat das nichts zu tun, aber hörst du mir überhaupt zu, verdammt noch mal? Das passiert danach,
nachher
, wenn sie erwartet, dass du sie umarmst und ihr nette Dinge sagst, zärtlich bist, kurz und gut, es kommt ein Punkt, wo du es nicht mehr aushältst, so eng umschlungen an einem anderen Körper zu kleben, denn was sie von dir erwartet, ist zu viel, das muss dir absurd vorkommen, ich weiß, aber das passiert, es ist eine natürliche Reaktion, eine physische Angelegenheit, du willst in Ruhe gelassen werden – ich bin einfach weggegangen, habe Hemd und Schuhe angezogen und bin abgehauen, raus, an die frische Luft, den Geruch der Nacht atmen, in dieser Jahreszeit ist das phantastisch, man muss raus und das riechen, in diesen Nächten, das lädt einen auf – eine Zeitlang hatte ich eine Hütte gemietet oben im Tal, das war eine Zeit, wo ich einfach niemanden sehen wollte, Agnese und ich hatten eine Pause vereinbart, und ich war dort oben für mich allein, um Energie zu tanken, bloß dass es da keine Heizung gab, und als der Winter kam, kurzum, bei dem ganzen verdammten Schnee schaffte ich es nicht einmal zur Kaserne – ja, auch die Rohre waren eingefroren, so ein Mist – na jedenfalls gehe ich da rauf für die Nacht, für mich allein, und heute Morgen, als ich nach Hause komme, sitzt sie schmollend auf dem Sofa, die Verrückte hat die ganze Zeit da gesessen, kannst du dir das vorstellen? Auf dem Sofa, ihre Augen waren violett, so viel hatte sie geheult – sie sagt zu mir, wenn das noch einmal vorkommt, bin ich es, die geht, damit das klar ist, und ich, nein, klar ist gar nichts, halt den Mund – so macht man das – wir heiraten nächstes Jahr – du sagst das, weil du jung bist und noch nichts weißt, wie alt bist du, hast du gesagt? – eben, warte, bis du dreißig wirst, dann wirst du schon sehen, wie sich alles verändert, die dreißig, die stellen dich an die Wand und setzen dir die Pistole auf die Brust, so – entschuldige, ich wollte dich nicht verletzen, du bist empfindlich, sicher – Empfindling, so könnte ich dich nennen, was sagst du dazu, oder Eierkopf – gehen wir raus, hast du Geld für den Kaffee, ich habe kein Kleingeld – dreißig ist jedenfalls das beschissenste Alter, weil du schon echte Verantwortung hast, eben, Verantwortung, die dir überhaupt nicht passt, die du aber einfach nicht abschütteln kannst, das ist der Zeitpunkt, wo du dir eine Familie zulegen musst und alles Übrige auch voranbringen, Kinder und so weiter, sonst ist es bald zu spät, und du hast die Anforderungen der Spezies nicht erfüllt – der menschlichen Spezies, Junge, die dreißig muss man gut vorbereitet erreichen, man muss – zentriert sein und realistisch, weißt du, was das heißt, realistisch? Dass ich niemandem seine Geschichten abnehme, dass ich mir keine Illusionen mache, wie schön alles ist, ich betrachte die Dinge so, wie sie sind, und entscheide über meine Geschichte – letztendlich ist das eine Frage der Eier, die, die keine haben, bleiben auf der Strecke, Evolution hat Darwin das genannt – nimm auch für mich die mit Schokolade, ich geb dir das Geld dann später – da sind ein Haufen Leute, die jenseits der dreißig ausrasten, das kannst du dir gar nicht vorstellen, nimm unseren früheren Zugführer – ich hab dir doch gesagt, dass du ihn nicht kennst, verdammt noch mal, er heißt René, Feldwebel René, bist du jetzt zufrieden? – Hör lieber zu, was er angestellt hat, er hat sich eine Familie aufgehalst, die nicht die seine ist, er hat eine Frau mit Kind genommen – das Kind ist
nicht von ihm
, Eierkopf – das ist doch nicht natürlich, das scheint mir klar, eine Nacht kann ja angehen, okay, aber sich zusammentun – dieser elende Drecksack hat sich die Familie von einem anderen genommen, die Familie von einem Toten, und jetzt tut er so, als wär es seine – vor Scham hat er sich nicht mehr blickenlassen, elender, feiger Opportunist – er ist Kellner in einem Restaurant, eine echte Kaschemme, ich werde meinen Fuß da nie hineinsetzen, garantiert – wo war ich noch? Ich war dabei, dir etwas Wichtiges zu
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