Der menschliche Körper
ständig.»
«Schönes Leben», sagt Ietri.
«Ja, ein schönes Leben. Nicht wie heute. Die Mädchen heute sind ganz auf Ich rauche nicht, Ich trinke nicht, Ich lass keinen ran.»
Ietri lacht. Di Salvo hat recht, die Mädchen von heute lassen keinen ran.
«Bald wird man sie heiraten müssen, wenn man mit ihnen ins Bett will. Kommt allerdings auf die Gegend an.»
«Wie, auf die Gegend?»
«Die aus dem Veneto zum Beispiel sind sofort dabei.» Di Salvo schnalzt mit den Fingern. «In Belluno allerdings nicht. Man muss weiter nach Süden runtergehen, wo Studentinnen sind. Studentinnen sind echte Ferkel. Einmal war ich in Padua, da war ich in einer Woche mit dreien im Bett.»
Ietri notiert sich innerlich Orte und Zahlen. Padua. Drei. Da wird er mit Sicherheit hinfahren, sobald er wieder zurück ist.
«Studentinnen rasieren sich, hast du das gewusst?»
«Warum?»
Di Salvo spuckt auf den Boden, dann bedeckt er den Speichel mit Sand. «Das ist so eine Mode. Und außerdem ist es hygienischer.»
Ietri ist skeptisch. Er hat noch nie eine Frau mit rasiertem Geschlecht gesehen, außer in gewissen Videos im Internet und am Meer natürlich, die kleinen Mädchen. Er ist nicht sicher, ob ihm das behagen würde.
Die Afghanen pressen die Stirn in den Staub, als wollten sie ihren Kopf darin begraben. Ietri verspürt zum wiederholten Mal den Impuls, sich ihnen anzuschließen, zu sehen, was man dabei empfindet. Di Salvo macht den Rücken krumm und dreht den Nacken hin und her, er gähnt. Die Sonne röstet sie. Ietri hat Sonnenschutzcreme im Rucksack, aber er weiß nicht, wie er sie auftragen soll, und den Kameraden mag er nicht darum bitten. Ein Soldat cremt keinem anderen Soldaten den Rücken ein.
«Kannst du dir das vorstellen? Hierherkommen, ohne den Krieg, und frei im Land herumfahren, mit einem Mädchen an der Seite», sagt Di Salvo. «Marihuana rauchen, frisch von der Pflanze gepflückt.»
«Das wäre schön.»
«Das wäre großartig.»
Er beugt sich zu Ietri. «Rauchst du?»
Der schaut verdutzt auf die Zigarette, die er in der Hand hält.
«Die mein ich doch nicht, du Idiot. Gras.»
Ietri nickt. «Ich hab’s probiert, ein paar Mal.»
Di Salvo legt ihm einen Arm um die nackten Schultern. Seine Haut ist erstaunlich kühl. «Du kennst doch Abib?»
«Den Dolmetscher?»
«Ja.»
«Er verkauft Gras.»
«Woher weißt du das?»
«Ist unwichtig. Du kannst mitkommen, wenn du willst. Wir zahlen jeder die Hälfte. Für zehn Euro gibt er dir einen solchen Beutel voll.» Di Salvo zeichnet mit den Händen eine Kugel in die Luft.
«Bist du verrückt? Wenn man uns erwischt, sind wir geliefert.»
«Wer soll uns denn erwischen? Riecht Hauptmann Masiero etwa an deinem Atem?»
«Nein», räumt Ietri ein.
«Das hier ist anders als das, was man bei uns bekommt. Das hier ist natürlich, es ist … hua!» Di Salvo schlingt den Arm enger um Ietris Nacken und bringt den Mund an sein Ohr, sein Atem ist nur wenig wärmer als die Luft. «Hör zu. Abib hat in seinem Zelt eine kleine Holzstatue, eine von diesen Stammesfiguren, weißt du, was ich meine? Mit großem Kopf, eckigem Körper und riesigen Augen. So antikes Zeug, das sein Großvater ihm geschenkt hat. Er hat mir die ganze Geschichte erzählt, aber ich war bekifft und erinnere mich nicht mehr. Egal. Die Statue schaut dich mit diesen enormen, gelb bemalten Augen an, und beim letzten Mal, als ich Abibs Gras geraucht habe, habe ich die Statue angeschaut und sie mich, und irgendwann macht es BAMM , und mit einem Schlag war mir klar, dass die Statue der Tod ist. Ich habe dem Tod ins Gesicht geschaut.»
«Dem Tod?»
«Ja, dem Tod. Aber das war nicht der Tod, wie du ihn dir vorstellst. Er war nicht böse. Es war ein ruhiger Tod, er hat einem keine Angst gemacht. Er war … gleichgültig. Ich war ihm völlig egal. Er hat mich angeschaut, und basta.»
«Woher wusstest du, dass es der Tod war? Hat Abib dir das gesagt?»
«Ich wusste es einfach. Oder nein, ich hab es später begriffen, als ich aus dem Zelt draußen war. Ich war voller Energie, einer völlig neuen Energie. Da war nichts von dem Gefühl, das du sonst hast, wenn du geraucht hast und dich abgespannt fühlst. Ich war ganz klar und konzentriert. Ich hatte dem Tod ins Gesicht geschaut und fühlte mich wie ein Gott. Und dann, hör zu, geh ich an der Fahne vorbei, die am Hauptturm hängt, weißt du, welche? Sie bewegte sich, weil etwas Wind ging, und ich … ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Ich
fühlte
die
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