Der menschliche Körper
über die Rosen erzählt?»
«Was erzählt man sich denn?»
«Dass das Tal im Frühling voller Rosen ist.»
«Ich habe nie welche gesehen, Herr Oberst.»
Ballesio seufzt. «Das dachte ich mir. Sicher. Warum sollten an einem so grauenhaften Ort Rosen wachsen?»
Staub
Für Ietri ist alles neu und interessant. Vom Hubschrauber aus schaut er auf das fremde Land, die ausgedehnten Felsflächen, hier und da unterbrochen von smaragdgrünen Wiesen. Ein Kamel steht einsam mit durchgestreckten Beinen auf halber Höhe an einem Abhang, oder vielleicht ist es ein Dromedar, er erinnert sich nie, wie das mit den Höckern war. Jedenfalls hätte er nicht gedacht, dass es wilde Dromedare gibt: Die leben doch im Zoo. Er möchte das Tier Cederna zeigen, der neben ihm sitzt, aber der Freund scheint nicht neugierig auf die Landschaft. Hinter den dunklen Brillengläsern starrt er auf einen Punkt im Hubschrauber, oder er schläft.
Ietri nimmt die Kopfhörer ab. An die Stelle der verzerrten und abgründigen Gitarrenriffs der Cradle of Filth tritt der Lärm der Rotoren, der nicht viel anders ist. «Ob es in der FOB eine Bar gibt?», fragt er den Freund. Er muss schreien.
«Nein.»
«Und einen Fitnessraum?»
«Auch nicht.»
«Wenigstens Tischtennis?»
«Hast du noch nicht begriffen? Wo wir hinkommen, gibt es einen Scheißdreck, einfach nichts.»
Er hat recht. Nichts gibt es im Lager, nur Staub. Gelben, klebrigen Staub, so viel, dass man mit den Stiefeln bis an die Knöchel darin versinkt. Wenn man ihn von der Uniform klopft, wirbelt er ein bisschen durch die Luft und setzt sich dann an derselben Stelle wieder ab. Als Ietri sich am ersten Abend in Gulistan die Nase putzt, sind schwarze Flecken im Taschentuch. Am nächsten Tag kommt ihm Blut, vermischt mit Erde, aus der Nase, so geht es eine Woche lang, dann nichts mehr. Sein Körper hat sich schon daran gewöhnt, ein junger Körper gewöhnt sich an alles.
Der Bereich, den man dem Zug zugewiesen hat, liegt im nordöstlichen Teil des Camps, neben einem der wenigen Gebäude aus Stahlbeton im Lager, von den Marines zurückgelassen. Es handelt sich um einen großen, kahlen Raum, die Wände nur an wenigen Stellen verputzt, dafür sind Graffiti darauf: eine Fahne mit Stars und Stripes, ein paar obszöne Zeichnungen und ein wütender Bulldog mit metallbeschlagenem Halsband. Die Dutzende von Löchern stammen von Geschossen, die im Raum abgefeuert worden sind.
«Was für eine scheußliche Ruine», kommentiert Simoncelli, als er zum ersten Mal hineingeht, und damit hat das Gebäude auch seinen Namen weg: die Ruine. Das wird ihr Hauptquartier.
Bald entdecken sie, dass der Raum mit Kakerlaken bevölkert ist. Sie drängen sich in den Ecken und Ritzen, aber ab und zu wagt sich eine zur Erkundung auf den Boden heraus. Ihre Panzer sind braun und glänzend, sie machen ein knackendes Geräusch, wenn man sie unter dem Stiefel zertritt, und sie verspritzen Blut über einen halben Meter weit.
Zum Glück hat Passalacqua ein Vernichtungsmittel dabei, er streut es an den Wänden entlang und in den Ecken aus. «Wisst ihr, wie das Zeug funktioniert?», fragt er und klopft dabei auf den Boden der Dose, um die letzten Reste des Pulvers herauszubekommen. Falls es nicht reichte, waren sie geliefert: Sie würden die Tiere einzeln töten müssen. «Es sondert einen Geruch ab, der die Kakerlaken erregt. Der heißt Pherohormon.»
«Pheromon, du Idiot», korrigiert ihn Cederna.
«Pheromon, wie auch immer. Das ist der Geruch ihrer Weibchen, wenn sie heiß sind. Die Kakerlaken laufen ihm nach, und statt der Weibchen finden sie das Gift.»
«Toll!»
«Die mit dem Gift in Berührung kommen, sind auf der Stelle tot und sondern einen anderen Geruch ab, der die übrigen Kakerlaken verrückt macht.»
«Verrückt?»
«Verrückt. Sie fressen sich gegenseitig auf.»
Ietri stellt sich eine Kakerlake vor, die aus der Ruine hinauskrabbelt, sich ins Zelt schleicht, am Bein des Feldbetts hinaufklettert und ihm im Schlaf übers Gesicht läuft.
«Stell dir vor, die Taliban würden das so machen», sagt Cederna. «Statt Granaten Fotzenduft über der Basis ausstreuen. Und wir würden anfangen, uns gegenseitig umzubringen.»
«Wir haben schon Zampieri, die Pheromon absondert», sagt Rovere.
«Nein, sie stinkt nur aus den Achselhöhlen.»
Alle lachen. Nur Ietri macht weiterhin ein finsteres Gesicht. «Meinst du, wir sind wie die Kakerlaken?», fragt er.
«Was?»
«Du hast gesagt, wenn die Taliban Fotzenduft ausstreuten,
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