Der menschliche Körper
der Toilette weg.
«Raus da!», schreit Di Salvo.
Der Leutnant weist auf die Rangabzeichen an seiner Jacke, aber Di Salvo kennt keine Hierarchien mehr. Er hat brav gewartet und diesem Bastard von Cederna vierzig Euro geschenkt, und jetzt kann ihm keiner seinen Platz wegnehmen, nicht einmal General Petraeus höchstpersönlich.
«Komm da raus!», wiederholt er. «Hier geht es allen schlecht.»
Der Leutnant wirkt nicht drohend, sein Blick ist eher flehend, als ob er sich auch gerade in die Hose gemacht hätte. Es ist ein Junge mit quadratischem Schädel, nicht sehr groß, aber kräftig gebaut. Der Name auf der Klappe der Brusttasche lautet Puglisi. Di Salvo nimmt diese Einzelheiten instinktiv wahr. Er registriert die Merkmale, wie ein Kämpfer es tun muss, bevor er es mit dem Gegner aufnimmt: Größe, Umfang des Bizeps, Statur. Das Hirn teilt den Muskeln mit, dass es sinnvoll und möglich ist, sich zu schlagen.
«Ich bitte dich», sagt der Pionier und zieht die Tür zu sich heran, um sich einzuschließen. Di Salvo stellt einen Fuß dazwischen und drückt die Tür mit Gewalt auf.
«Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich bin dran.» Er zerrt den Leutnant am Jackenaufschlag heraus.
«Hände weg, Soldat!»
«Sonst?»
«Mach mich nicht wütend. Ich bin aus Catania», sagt der Offizier, als ob das etwas mit der Sache zu tun hätte.
«Ach ja? Und ich bin aus Lamezia, und ich piss dir auf den Kopf.»
Noch bevor er sich’s versieht, verpasst Puglisi ihm einen Kinnhaken, nicht besonders stark, aber gut gezielt auf den Unterkiefer, der
krack
macht. Di Salvo ist fassungslos.
Wenige Sekunden später balgen sie sich in dem kaum vierzig Zentimeter breiten Korridor und behindern dadurch den Zugang zu zwei Toiletten, unter dem Gejohle der Jungs in der Schlange, die sich jetzt aufgelöst hat. Di Salvo landet am Boden, das Gesicht gegen den Gitterrost gepresst, unter dem eine Brühe entlangläuft, von deren Ursprung er lieber nichts wissen will. Er ist erschöpft. Er versetzt den Waden des Leutnants wirkungslose Stöße, sonst kann er sich nicht rühren, denn Puglisi kniet auf ihm und dreht ihm den freien Arm auf den Rücken. Der andere Arm ist unter seinem Körper eingeklemmt. Der Leutnant reagiert mit Schlägen auf die Rippen, schwach, aber in regelmäßigen Abständen und immer an dieselbe Stelle, wie ein erfahrener Boxer.
Während er so Prügel einstecken muss, dämmert Di Salvo allmählich, dass er soeben einen Offizier angegriffen hat. Oder war er es, der angegriffen wurde? Das ist nebensächlich. Er prügelt sich mit einem Vorgesetzten, das zählt. Ein solches Verhalten hat schwerwiegende Konsequenzen. Arrest. Unehrenhafte Entlassung. Kriegsgericht. Gefängnis.
Nach einem unerwarteten Schlag auf den Kopf muss er etwas ausspucken. Er fürchtet, es handelt sich um einen Zahn. Er bekommt kaum Luft. Diese Toilette stand ihm zu. Er hat Cederna dafür vierzig Euro gegeben, diesem bescheuerten Gierhals von Cederna, der ihm jetzt Sachen zubrüllt, die er nicht versteht, weil sein eines Ohr auf den Gitterrost gepresst ist und auf das andere die Hand von Puglisi drückt. Die Krämpfe haben nachgelassen, oder sie vergehen unter den neuen Schmerzen der Schläge. Er muss sich unbedingt aus der Lage befreien, in der er sich befindet. Er röchelt. Mit einem kräftigen Schwung aus der Hüfte kann er den Rücken beugen und den Arm unter dem Körper hervorziehen. Er schlägt dem Pionier ins Gesicht. «Jetzt spielt hier eine andere Musik, elender Drecksack!»
Er ist wild entschlossen, es ihm mit Zins und Zinseszins heimzuzahlen, doch der Leutnant steht auf und lässt von ihm ab. Er weicht zurück. Fassungslos schaut Di Salvo ihn von unten her an. «Du bist ein Feigling!», ruft er empört. Er ist glücklich, festzustellen, dass es ihm wenigstens gelungen ist, ihm die Nase blutig zu schlagen und ihn an der Augenbraue zu verletzen. «Komm her!»
Aber der Gegner schaut in eine andere Richtung. In der Tat haben sich alle Soldaten umgewandt. Di Salvo macht es ihnen nach und sieht Oberst Ballesio, der sich, den Bauch haltend, durch die Menge drängt.
«Weg da, weg da, lasst mich durch!»
Einen Augenblick, bevor Di Salvo das Bewusstsein verliert, setzen die gedrungenen Schenkel des Kommandanten über ihn hinweg, und er schließt sich in der umkämpften Toilette ein. Ein tierisches Röcheln aus dem Inneren der Kabine erreicht ihn gerade noch, dann nichts mehr.
In dieser aufgeregten Atmosphäre begegnet Egitto zum ersten Mal den Jungs
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