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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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du-machst-das-mit-mir-und-ich-mach-das-mit-dir, aber für den Obergefreiten ist die Atmosphäre futsch. Dauernd schaut er sich um, um sicherzugehen, dass ihn niemand beobachtet. Ab und an taucht das Bild eines jungen Mannes vor ihm auf, der auf dem Platz von Tersicore 89 sitzt, und verwirrt ihn. Während er schreibt und liest, steigt Übelkeit in ihm auf, und er hat Bauchweh. Das Unwohlsein wird schlimmer, bis er es nicht mehr aushält. Er ist gezwungen, Schluss zu machen und den PC in aller Eile zuzuklappen. Er verspricht Tersicore 89 , dass er sich bald wieder melden wird.
    Während er mit eiligen Schritten durch das Lager geht, meidet er die Blicke der anderen Soldaten und versucht sich nicht von den kleinen Falken ablenken zu lassen, die um den Wachturm schwirren. Er will sich den Rest an Erregung bewahren, bis er die Toiletten erreicht hat.
    Auf halbem Weg wird ihm schwindlig. Das Schwindelgefühl geht rasch vom Kopf auf den Körper über, in Gestalt eines Schüttelfrosts, der sich im unteren Bauchraum konzentriert. Binnen weniger Sekunden wird der Drang so heftig, dass er rennen muss.
    Er erreicht die Chemieklosetts, er zieht am ersten Griff, aber die Tür ist von innen verschlossen, er öffnet die zweite Kabine, und dort bietet sich ihm ein ekelhafter Anblick, also geht er in die dritte, er hat kaum die Zeit, den Riegel vorzuschieben und die Hosen herunterzulassen, dann hockt er sich auf die Aluminiumschüssel und entleert seinen Darm in einem einzigen Schwall.
    «Uuuff!»
    Er atmet langsam aus, der Herzschlag hämmert ihm in den Ohren. Ein weiterer Schwall überrascht ihn, er kommt plötzlich und noch heftiger als der erste, begleitet von mörderischen Stichen. Sein Darm ist in völligem Aufruhr. Torsu kneift die Augen zusammen und hält sich an der Türklinke fest, er hat das Gefühl, in das Abflussloch hinuntergesogen zu werden. Er versucht, die Spritzer flüssiger Scheiße auf den nackten Schenkeln und am Hosensaum nicht zu beachten.
    Als die Stiche nachlassen, legt er den Kopf auf den ausgestreckten Arm und verweilt ein paar Minuten in dieser Haltung, erschöpft und entsetzt über das Ausmaß dessen, was ihm geschehen ist. Ein wohliges Gefühl durchströmt seinen ganzen Körper, begleitet von schwerer Müdigkeit. Für ein paar Sekunden nickt er in dieser unnatürlichen Position ein.
    Angelo Torsu ist der Erste, bei dem sich die Symptome der Vergiftung zeigen, vielleicht weil er übertrieben hat, als er sich drei Mal von dem Rindfleisch nahm, oder weil er nie von besonders kräftiger Konstitution war. Jedenfalls flüchten sich, während er noch in der engen Kabine hockt, zwei Kollegen in die benachbarten Toiletten, und er erkennt die Geräusche einer ähnlichen Notlage wie seiner. Im Lauf weniger Stunden breitet sich der Staphylococcus aureus im Lager aus, und die FOB versinkt im Chaos. Zur Verfügung stehen achtzehn Toiletten, und die Zahl der Benutzer beträgt mindestens hundert, die Koliken überkommen sie im Abstand von zwanzig Minuten.
    Um vier Uhr nachmittags wird der Bereich um die Toiletten von einer Menge Jungs belagert, zitternd und grün im Gesicht. In der Hand halten sie eine Rolle Klopapier und rufen denen drinnen zu, sie sollen sich beeilen, Herrgott noch mal. Vor dem Obergefreiten Enrico Di Salvo sind vier Personen, darunter Cederna. Di Salvo erwägt, den Freund zu fragen, ob er ihm seine Position überlässt, denn er fürchtet, nicht durchzuhalten, aber er ist sich sicher, dass er nein sagen wird. Cederna ist ein tüchtiger Soldat, witzig, wenn er will, aber auch ein Riesenarschloch.
    Er versucht sich zu erinnern, wann er sich in der Vergangenheit je so schlecht gefühlt hat. Mit dreizehn Jahren wurde er am Blinddarm operiert, und in den Monaten davor wachte er nachts mit Koliken auf, die es ihm manchmal unmöglich machten, aufrecht bis zum Zimmer der Eltern zu gelangen. Seine Mutter misstraute den Medikamenten und sein Vater den Honorarnoten der Spezialisten, also behandelten sie ihn mit heißer Zitrone. Die Schmerzen vergingen nicht, und irgendwann sagte seine Mutter beleidigt, während sie ins Bett zurückkehrte: «Ich habe dir doch gesagt, du sollst sie heiß trinken, und du hast gewartet. So wirkt sie nicht.» Als der Rettungsdienst ihn holen kam, war aus der Blinddarm- eine Bauchfellentzündung geworden. Aber vielleicht war nicht einmal der Schmerz von damals so heftig gewesen wie der, den er jetzt verspürt. «Cederna, lass mich vor», sagt er.
    «Vergiss es.»
    «Ich bitte dich, ich

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