Der menschliche Körper
halte es nicht mehr aus.»
«Dann nimm dir eine Tüte und mach da rein.»
«Ich mag nicht in Tüten scheißen. Und ich schaffe es nicht bis zur Tür.»
«Deine Sache. Uns geht es allen so.»
Das kommt Di Salvo aber nicht so vor. Cederna ist überhaupt nicht blass und hat auch noch kein Stöhnen hören lassen oder das Gesicht verzogen. Der erste in der Reihe hat angefangen, an der Tür einer Kabine zu rütteln, die schon zu lange besetzt ist. Dafür erntet er eine Beschimpfung, und er versetzt der Metalltür einen Tritt.
Nein, zweifellos, es ist ihm noch nie so schlecht gegangen. Er verspürt Messerstiche in Milz und Leber, es schüttelt ihn, und sein Kopf dreht sich. Wenn er das Klosett nicht in wenigen Minuten erreicht, wird er sich erbrechen müssen oder Schlimmeres. Er könnte auch in Ohnmacht fallen. Das Zeug, das sie gegessen haben, war Gift.
Als ob das nicht genug wäre, hat er nach dem Essen einen Abstecher in das Zelt von Abib gemacht, und sie haben zusammen geraucht, ein Gramm, zerbröselt und unter den Tabak einer Diana gemischt. Abib hat eine merkwürdige Art, das Haschisch vorzubereiten: Statt es mit dem Feuerzeug zu erhitzen, reibt er es lang zwischen den Fingern und lässt dann Speichel darauf tropfen. Das ist ekelhaft, hat Di Salvo ihm beim ersten Mal gesagt. What? Das ist ekelhaft. Abib hat ihn mit seinem schlauen Lächeln angesehen. Nach Monaten im Italiener-Camp könnte er schon ein paar Worte radebrechen, er spricht jedoch immer Englisch: Italians don’t know smoke, war seine Antwort.
Vielleicht liegt es an Abibs Speichel, dass er sich jetzt schlechter fühlt als alle anderen. Wer weiß, was für eine fiese Infektion der ihm angehängt hat. Er lebt mit den andern beiden Dolmetschern in einem Zelt, auf Teppichen, die nach Fußschweiß riechen. Ein unglaublicher Gestank, als würde man die Nase in eine verschwitzte Socke stecken. Am Anfang wollte Di Salvo sich nicht hinsetzen, aber mittlerweile hat er sich daran gewöhnt. Er versucht nur, den Kopf nicht anzulehnen, auch wenn ihm schwindlig wird.
Er ist verwirrt und niedergeschlagen. Kalter Schweiß steht ihm auf der Stirn. Er bekommt keine Luft. Er wird nicht mehr zu Abib gehen. Die restliche Zeit des Einsatzes über wird er keinen Joint mehr anrühren. Er schwört das im Geiste vor Gott: Wenn du mich rechtzeitig aufs Klo kommen lässt, wenn du mich vor dieser Sache errettest, so schwöre ich, dass ich nie mehr bei Abib rauche. Er will schon weitergehen und versprechen, dass er es auch zu Hause nicht mehr tun wird, doch dann erinnert er sich daran, wie angenehm es ist, bei Ricadi auf der kleinen Terrasse zu sitzen, die Füße auf dem Geländer, und sich langsam einen Joint reinzuziehen, während er auf das ölig glatte Meer schaut, und er hält sich zurück. Sechs Monate ohne Drogen müssen als Verpflichtung genügen.
Ein neuer, sehr heftiger Krampf bringt ihn zum Husten und drückt ihm den Kopf nach unten. Einen Moment lang verliert Di Salvo die Kontrolle über den Schließmuskel, er spürt, wie er sich mit einem Schlag weitet. Er hat sich in die Hosen gemacht, da ist er sich fast sicher. Er tippt Cederna auf die Schulter. «Ich geb dir zehn Euro, wenn du mich vorlässt.»
Der Stabsgefreite wendet nur ein wenig den Kopf. «Fünfzig.»
«Du bist ein Schwein, Cederna! Dann stimmt es also, dass es dir so schlecht nicht geht.»
«Fünfzig Euro.»
«Leck mich am Arsch. Ich geb dir zwanzig.»
«Vierzig, weiter runter geh ich nicht.»
«Dreißig. Du Drecksack.»
«Ich habe gesagt, unter vierzig gehe ich nicht.»
Di Salvo spürt, wie das Tier in seinen Eingeweiden rebelliert. Sein After zieht sich unkontrollierbar in rhythmischen Bewegungen zusammen. Das ist ein Lebewesen, dadrin, mit einem eigenen Herzschlag. «Okay, ich geb sie dir, ich geb sie dir», sagt er, «und jetzt verpiss dich.»
Cederna macht eine Armbewegung, wie um zu sagen, bitte, nach Ihnen. Er grinst. Wahrscheinlich geht es ihm überhaupt nicht schlecht, er ist nur da, um den anderen auf den Wecker zu fallen. Der Erste in der Schlange ist schon reingegangen, also bleiben nur noch zwei vor ihm. Es wird nicht mehr lang dauern. Er starrt auf die Armbanduhr und sieht drei Minuten unendlich langsam verrinnen, Sekunde um Sekunde, dann öffnet sich die Toilettentür für ihn, wie eine Einladung ins Paradies.
Zu dem Toilettengang führen Stufen von zwei Seiten. Di Salvo stürzt hinauf, aber bevor er noch hineingehen kann, nimmt ihm ein Leutnant von den Pionieren seinen Platz in
Weitere Kostenlose Bücher