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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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Dorothy.»
    «Dorothy allein genügt vollauf, mein Schatz.»
    Und später. «Auf Wiedersehen, Dorothy.»
    «Bis bald, mein Lieber.»
    Sie wurde das erste Opfer von Mariannas geheimem Groll. Das Bündnis mit meiner Schwester, das ich lange Zeit und zu Unrecht für unerschütterlich hielt, wurde gegründet auf grausamen Spott, und zwar an dem Nachmittag, als Marianna, während sie auf die Musiklehrerin wartete, zu mir sagte: «Wusstest du, dass Dorothy eine Tochter hat, die stottert?»
    «Was heißt das?»
    «Das heißt, dass s-s-ie s-s-o redet. Und sie kann Worte, die mit M anfangen, nicht aussprechen. Wenn sie mich ruft, sagt sie Mmmm-mmm-mm-arianna.»
    Sie verzog das Gesichtchen und fing laut zu muhen an. Es war eine monströse und unwiderstehliche Nachahmung voller fröhlicher Bösartigkeit. Nini hätte das verwerflich gefunden: Sie verbrachte einen Großteil ihrer Zeit damit, sich darum zu sorgen, auf welchen unsichtbaren Wegen unser Betragen die anderen verletzen könnte, und in der Unterhaltung vermied sie sorgsam jede Anspielung auf ihre Kinder, für den Fall, dass sie den – falschen, absolut falschen – Eindruck erwecken sollte, sie wolle sich brüsten oder Vergleiche anstellen. Wenn Marianna von einem Schulkameraden sagte: «Er ist viel schlechter als ich, er bekommt überall nur befriedigend», zeigte Nini sich sofort alarmiert: «Marianna! Man soll keine Vergleiche anstellen.» Man denke nur, was los gewesen wäre, wenn sie sie dabei erwischt hätte, wie sie mit schiefem Mund und verdrehten Augen die stotternde Tochter von Dorothy Byrne nachäffte!
    Da ich mit acht Jahren meine Reaktionen spontan den vermuteten meiner Mutter anglich, war ich anfangs bestürzt, als Marianna muhte und die Konsonanten verdoppelte. Dann spürte ich, wie meine Lippen nach und nach in die Breite gingen. Fast mit Grauen bemerkte ich, dass ich lächelte. Nein, mehr noch, jetzt lachte ich höhnisch aus vollem Hals, als hätte ich mit einem Mal die Art von Dingen entdeckt, die einen wirklich zum Lachen bringen. Marianna muhte noch einmal, bevor auch sie in Gelächter ausbrach.
    «U-u-nd … schau dir mal Dorothys Achselhöhlen an … mit all den dunklen Flecken … das stinkt ganz erbärmlich!»
    Wir konnten nicht aufhören: Das Lachen des einen lockte das des anderen hervor. Und kaum drohte das Gelächter zu versiegen, verzog Marianna nur leicht den Mund, und wir fingen wieder von neuem an. Bis dahin hatten wir nichts gemeinsam gehabt. Jede Nähe oder auch nur Komplizenschaft wurde zunichtegemacht vom Altersunterschied zwischen uns und von der herablassenden Resignation, mit der Marianna mich zu ertragen schien. Die boshafte Nachahmung der Tochter von Dorothy war unsere erste direkte Verbindung, unser erstes Geheimnis. Beim Abendessen, während Ernesto im Krankenhaus aufgehalten wurde und Nini uns den Rücken kehrte, um ein letztes Mal das wenig verlockende Kartoffelpüree umzurühren, verzog Marianna das Gesicht, und beinahe hätte ich mich verschluckt. Es sollte uns zur Gewohnheit werden, gewisse Bekannte aufs Korn zu nehmen, die absurden Seiten in unserem streng geregelten Leben aufzuspüren und uns gegenseitig anzustecken, bis wir gar nicht mehr wussten, was uns so erheitert hatte.
    Als Dorothy an jenem Nachmittag in einem langen petrolgrünen Kleid mit Plisseeärmeln in der Tür stand, hatten wir Tränen in den Augen. Sofort bemerkte ich die dunklen Stellen unter den Achseln, und obwohl ich, wenn es darauf ankam, auch damals schon eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legen konnte, brachte ich es nicht fertig, Dorothy guten Tag zu sagen, ohne sie mit Gelächter und Prusten zu überschütten.
    «Es ist ein Vergnügen, euch so fröhlich zu sehen», bemerkte die Lehrerin verärgert. Sie stellte die Handtasche auf dem Sofa ab und steuerte entschlossen auf den Klavierhocker zu.
    Da ließ ich sie allein, wie üblich. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass auf dem Glastischchen eine Wasserkaraffe mit zwei Gläsern bereitstand, schloss ich die Tür zum Flur und kehrte in mein Zimmer zurück. Einen Augenblick herrschte Stille, dann hörte ich, wie das Ticken des Metronoms einsetzte.
    Eine gute halbe Stunde wurde für Geläufigkeitsübungen verwendet: chromatische Tonleitern, Terzen, Quarten, vom Blatt spielen, die Etüden von Pozzoli und die fingerbrecherischen Stücke von Hanon. Dann kam das Repertoire. Einige Stücke gefielen mir ganz besonders gut:
Doctor Gradus ad Parnassum
von Debussy, die
Mondscheinsonate
von

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