Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
Vom Netzwerk:
Schaden anzurichten als ein Schrapnellregen. Er macht den Mund auf, um den Kameraden zuzurufen, sie sollen sich beeilen, aber eine Handvoll Sand klatscht ihm direkt in den Rachen, er muss innehalten, stehen bleiben und auf den Boden ausspucken. Kurz überkommt ihn Brechreiz. Die Detonationen folgen einander in dichter Folge und pumpen ihm Adrenalin ins Blut. Das ist nicht unangenehm, er fühlt sich aufgeputscht. Die toben sich aus, die Drecksäcke!
    Endlich erreicht er den Bunker. Seine Augen brennen, vor allem das rechte, in das ihm ein Sandkorn geraten ist, in seiner Vorstellung groß wie ein Stein. Der Betontunnel ist voll mit Soldaten. «Macht Platz», sagt er.
    Seine Kameraden versuchen, näher aneinanderzurücken, aber der Tunnel ist so voll, und sie sitzen schon so eng, dass nicht einmal ein Zentimeter frei wird. Cederna flucht. «Rückt zusammen, verdammt noch mal!»
    René befielt ihm aufzuhören, er muss da stehen bleiben, er sieht ja selbst, dass kein Platz ist.
    «Dann geh ich in den anderen Bunker.»
    «Red keinen Unsinn. Bleib hier, hier hast du Deckung.»
    «Ich hab gesagt, ich geh in den anderen Bunker. Ich bleib nicht hier draußen stehen.»
    «Bleib da. Das ist ein Befehl.»
    Eine Wand aus Hesco Bastions schützt ihm den Rücken, aber die Luft voller Erdreich und Sand fängt sich im Umlaufgang und peitscht ihm ins Gesicht. Cedernas Selbstbewusstsein schwindet, und er beginnt sich unruhig zu fühlen, zu zittern. Wenn er bloß den Helm und die Windjacke dabeihätte, dann könnte er sich wie eine Schildkröte verkriechen, aber so ist er nackt. Die Haare sind mit Sand verklebt, überallhin dringt er, in den Jackenkragen, in die Strümpfe und in die Nasenlöcher. Wenn eine Granate nah genug einschlüge, könnte ein Splitter ihm ohne weiteres die Schulter durchbohren oder, noch schlimmer, den Hals. Er hat überhaupt keine Lust, einen Splitter abzubekommen, in wenigen Tagen geht er auf Urlaub, und bis dahin will er unverletzt bleiben. Sogar diesem Arsch von Mitrano ist es gelungen, in den Bunker zu kommen, wenigstens zur Hälfte, mit dem Daumennagel kratzt er sich eingetrockneten Schlamm von der Stiefelspitze.
    Cederna hat eine Idee. «He, Mitrano.»
    «Was willst du?»
    «Ich glaube, ich sehe dahinten was. Vielleicht ist es ein Mann am Boden. Komm und schau.»
    Alle drehen sich um, plötzlich angespannt. Cederna beruhigt sie mit einem wissenden Blick.
    Aber Mitrano lässt sich nicht aus der Reserve locken. «Das glaube ich nicht», sagt er. Er hat aus eigener Erfahrung gelernt, dass Cederna nicht zu trauen ist. Es ist seine Schuld, wenn er zum Gespött der gesamten FOB geworden ist, besonders seitdem Cederna einen Hubschrauber mit Offizieren auf Besuch mit dem Schild
Nehmt Mitrano wieder mit
empfangen hat. Er hänselt ihn ständig, in der Kantine nimmt er ihm das Essen vom Teller, steckt es in den Mund und legt es ihm dann durchgekaut wieder zurück, er nennt ihn Mongo und halbe Portion. Erst gestern hat er seinen Rasierschaum genommen, hat ihn sich auf die enthaarte Brust gesprüht und ist halb nackt und irres Zeug redend durch das Lager gelaufen.
    «Ich sage dir, ich sehe was, eine dunkle Masse. Er könnte Hilfe brauchen. Komm, schau.»
    «Hör auf, Cederna», schaltet sich Simoncelli ein. «Das ist nicht komisch.»
    «Ja, das ist wieder einer von deinen üblen Scherzen», sagt Mitrano.
    «Dann lass es bleiben, Hosenscheißer. Ich gehe allein hin», sagt er und macht Anstalten loszugehen.
    «Meinst du das im Ernst?»
    «Sicher.»
    Mitrano zögert einen Augenblick, dann drückt er die Beine von Ruffinati, die die seinen berühren, weg und läuft geduckt aus dem Bunker. Cederna weist auf einen Punkt.
    «Ich sehe nichts.»
    «Schau genauer hin.»
    Wie alle – außer Mitrano – vorhergesehen hatten, schubst Cederna ihn mit dem Ellbogen beiseite und nimmt seinen Platz im Bunker ein. «Ätsch!»
    «He, weg da! Da war ich.»
    «Ach ja? Ich sehe nirgendwo deinen Namen geschrieben.»
    «Das ist nicht gerecht.»
    «
Das ist nicht gerecht, nicht gerecht, nicht gerecht
, aber was bist du denn, ein Weib?»
    Cederna setzt sich, wobei er sich mit den Schultern an der Betonwand Platz schafft. Die anderen finden das nicht gut und schauen ihn schief an. «Was für eine fiese Sauerei», kommentiert Camporesi. Zampieri zieht rasch ihre Finger unter dem Schenkel vor.
    Er versteht nicht, warum sie sich jetzt so aufführen, sie amüsieren sich doch sonst immer, wenn er Mitrano verspottet, und plötzlich sind sie bereit,

Weitere Kostenlose Bücher