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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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sarkastisches Lächeln auf.
    Cederna äfft ihn nach: «
Ich versteh nicht, warum du immer auf mich losgehst
 … Weil die Venezolaner Scheißkommunisten sind und bestraft werden müssen. Darum.»
    Er wirft die Würfel auf das Spielbrett und bringt – sicher mit Absicht – Ietris Truppen durcheinander, die dieser mit viel Zeit und Mühe sorgsam in Reihe und Glied aufgestellt hatte. Eine Fünf, eine Sechs und eine Zwei. « BUUUM !»
    Widerwillig greift Ietri nach den blauen Würfeln. Obwohl zahlenmäßig stark, wirken seine Streitkräfte jetzt mutlos, in einem chaotischen Rückzug begriffen. Er würfelt und bekommt bei zwei von drei Würfeln eine niedrigere Punktzahl. Cederna beeilt sich, die entsprechenden Panzer wegzunehmen, und ahmt dabei ebenso viele Explosionen nach.
    «Finger weg, Ich mach das selbst.»
    Er hat die Nase voll. Wäre er Cederna, würde er sich nicht so aufführen. An seiner Stelle hätte er sich wahrscheinlich auf Mattioli konzentriert, der auf diese verbissene und stille Art spielt, wie jemand, der keinen Spaß am Spiel hat, weil er den Wettkampf zu ernst nimmt. Der Einsatz sind zwanzig Euro, das ist nicht viel, aber immerhin etwas. Ietri erschrickt über die Heftigkeit seines Wunsches, sich in ihren Besitz zu bringen. Neuerdings wird seine Seele immer häufiger von Kräften heimgesucht, die er nicht zu beherrschen weiß.
    «Ich greife noch einmal an. Venezuela. Tod den Kommunisten.»
    «O nein! Jetzt reicht’s!», platzt Ietri heraus.
    «Wann es reicht, das bestimme ich, Jungfräulein.»
    Camporesi bricht in Gelächter aus. Niemand hat auch nur im Entferntesten eine Ahnung, wie zutiefst gedemütigt Ietri sich in diesem Augenblick fühlt. Er presst die Würfel in der Faust zusammen.
    Er würfelt. Diesmal liegt er mit allen drei Würfeln unter Cedernas Punktzahl und verliert das Gebiet. Doch er lässt sich nicht aus der Fassung bringen, er hat genügend andere Territorien. Er nimmt die Panzer weg und legt sie in die Schachtel. Wenn Cederna sich gern als Arsch aufführen will, umso schlimmer für ihn. Er wird ihm bestimmt nicht die Genugtuung geben, sich zu ärgern.
    Mattioli ist dran und schickt sich gerade an, einen seiner hinterhältigen, lang im Stillen ausgeklügelten Strategiezüge umzusetzen, als sie die erste Detonation hören. Ein dumpfer, nachhallender Schlag, wie ein auf den Boden geschleuderter Amboss. Das Ohr der Jungs ist darin geschult, die verschiedenen Geschützarten zu unterscheiden. Aber es ist Feldwebel René, der als Erster das Wort
Mörser
ausspricht.
    Er sagt es langsam, wie für sich. Gleich darauf schreit er: «In den Bunker!»
     
    Die Jungs springen auf und steuern auf die Tür zu, rasch und diszipliniert. Sie kennen den Evakuierungsplan, sie haben ihn mindestens hundert Mal geprobt. Für den Stabsgefreiten Francesco Cederna ist es der erste Einschlag einer Mörsergranate, den er außerhalb einer Gefechtsübung hört. Er wundert sich, wie vollkommen identisch der Klang mit dem ist, den er kennt: Na klar, natürlich ist das so. Fast möchte er dem Feind danken, dass er die Partie Risiko, bei der er am Verlieren war, unterbrochen hat.
    Camporesi und Mattioli haben hintereinander Aufstellung genommen, um hinauszugehen. Cederna ist zurückgeblieben und hat das plötzlich bleich gewordene Gesicht von Ietri vor sich. Mit dem Unterarm fegt er die Panzer vom Spielbrett: «Wie schade, Jungfräulein. Es lief so gut für dich.» Er nimmt den Geldschein und steckt ihn in die Tasche. Der andere verzieht keine Miene. Es gibt noch einen Einschlag, und diesmal spüren sie ganz unverkennbar das Vibrieren des Bodens unter den Füßen. «Nur Mut. Nach dir.»
    Cederna tritt als Letzter in den Sandsturm hinaus. Er will Coolness zeigen und sich selbst den Eindruck vermitteln, dass er alles unter Kontrolle hat. Eine weitere Granate schlägt irgendwo links von ihm ein. Näher diesmal, vielleicht innerhalb des Lagers, aber die Sicht ist auf wenige Meter beschränkt, unmöglich, das festzustellen. Das gellende Heulen der Sirene und die Vielzahl der Stimmen ergeben eine komplexe Stereophonie. Die Befehle für die Soldaten im Kampfeinsatz mischen sich unter die Aufforderungen an die anderen, Deckung zu suchen. Cederna bedauert, dass seine Einheit heute nicht im Einsatz ist, sie müssen kuschen wie Hunde, die Angst haben vor einem Feuerwerk. Was für eine Scheiße.
    Er hört, wie die Motoren der Lince angeworfen werden. Wo wollen die denn hin? Bei einem derartigen Sturm riskieren sie, mehr

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