Der menschliche Körper
kommen, was ihm am Herzen liegt, kann er doch zu keinem Schluss gelangen. Er fragt sich, ob es wirklich eine Art und Weise gibt, das zu sagen, was er sagen will, ohne brutal oder feige zu erscheinen oder beides zugleich. In einer Anwandlung von Ärger schreibt er den lapidaren Satz
Liebe Rosanna,
ich glaube, du musst abtreiben
und drückt auf die Taste Senden. Aber durch den Sturm ist die Verbindung gestört, und René kann die Botschaft noch abfangen, bevor sie gesendet wird.
Um seine Füße hat sich ein kleines stinkendes Häufchen aus Asche und Kippen gebildet, der Rauch steht in samtigen Schwaden in der Luft, aber René zündet sich noch eine Zigarette an. Ein Kind würde sein Leben ruinieren oder es zumindest beträchtlich durcheinanderbringen. Und dann, welchen Sinn hat es, ein Kind mit einer Frau zu haben, die er kaum kennt, besser gesagt, die er überhaupt nicht kennt, eine Frau, die fünfzehn Jahre älter ist als er, eine, die ihn bezahlt, um an seinem Körper ihre Lust zu stillen? Ein Kind ist eine ernste Angelegenheit, das ist kein Scherz, man zeugt und plant es unter bestimmten Bedingungen. Der Doc hat gesagt, es genügt ein Augenblick, um es loszuwerden, weder Mutter noch Kind merken etwas davon … Er muss aufhören, dieses Wort
Kind
zu verwenden, Schluss damit! Es ist kaum mehr als eine Mücke, mehr nicht, es wird durch ein Röhrchen abgesaugt und fertig. Es gibt nur einen gangbaren Weg aus dieser hässlichen Situation: Rosanna muss abtreiben, Punkt, Schluss, aus. Leider wird er nicht bei ihr sein können, weil er im Einsatz ist, und das tut ihm wirklich leid, aber wenn es so weit ist, wird er ihr Blumen ins Krankenhaus oder direkt nach Hause schicken lassen. Welche Sorte Blumen ist passend für eine Abtreibung?
An diesem Punkt schleicht sich ein Verdacht in die Überlegungen des Feldwebels, der des Egoismus. Und wenn er sich täuschte? Wenn das, was er zu tun im Begriff ist, eines der Verbrechen wäre, für die es keine Vergebung gibt? Rosanna hat gesagt, es sei ihre Schuld, hundertprozentig ihre Schuld, aber was weiß denn René davon, wie der Herr im gegebenen Augenblick die Schuld bewertet? Da gerät er wieder ins Grübeln, den starren Blick zum Fenster gewandt, gegen das Staubböen wehen. René hat keine Erfahrung mit den gefährlichen Mäandern, in die das menschliche Denken geraten kann, sein Verstand funktioniert linear, eine Idee nach der anderen, mit logischen Übergängen. All dieses Für und Wider, dieses Karussell von Einwänden und Gegeneinwänden, das ist das Ermüdendste, was er je erlebt hat.
« AUFGEWACHT , HERR FELDWEBEL !»
Passalacqua klatscht vor seiner Nase in die Hände, René fährt hoch. Beleidigt versetzt er ihm einen Stoß. Von einem anderen Tisch aus verteidigt Zampieri ihn: «So lass ihn doch in Ruhe. Siehst du nicht, dass der Feldwebel einen Liebesbrief schreibt?» Sie zwinkert ihm zu. Er erwidert die Geste nicht.
Er schließt das Mailprogramm und geht mit Doppelklick auf das Icon für Warcraft II . Zerstreuung, er braucht ein wenig Zerstreuung.
Ein paar Meter weiter drüben an einem Tisch, der durch eine unter ein Tischbein geklemmte halbe Klopapierrolle im Gleichgewicht gehalten wird, spielen Ietri, Camporesi, Cederna und Mattioli Risiko. Das ist das Spiel für Cederna, in dem er sich als der Großkotz erweist, der er ist. Er hat die schwarzen Truppen gewählt, und nach weniger als einer Stunde ist er in verschiedenen Gebieten geschlagen. Es bleiben ihm hier und da verstreute Truppen, und er hat beschlossen, seine ganzen verbleibenden Kräfte auf Brasilien zu konzentrieren; hartnäckig greift er die Streitkräfte Ietris an, die sich in Venezuela verschanzt haben. Bei jeder Runde erneuert er seinen Angriff mit aller Macht, und Ietri ist langsam genervt. Er ist sich sicher, dass die Mission des Freundes nichts mit der Zerstörung seiner Streitkräfte zu tun hat und auch nicht mit der Eroberung des südamerikanischen Kontinents. Es ist pure Schikane, Cederna will ihn ärgern, ihm den Spaß am Spiel verderben, weil er verliert und nicht akzeptieren kann, dass es für Ietri gut läuft (nachdem er den nordamerikanischen Kontinent erobert hat, rückt er langsam in Richtung Süden vor).
«Angriff auf Venezuela von Brasilien aus mit drei Würfeln», sagt Cederna. «Von deinen Panzern kannst du dich verabschieden, Jungfräulein.»
«Ich versteh nicht, warum du immer auf mich losgehst», erwidert Ietri und bereut es sofort. Und in der Tat, Mattioli setzt schon ein
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