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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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entspannter zu sein beim Schießen. Sie werden sehen, dann haben Sie mehr Spaß.»
    René stellt sich vor, ihm Zeige- und Mittelfinger in die Nase zu bohren und bei den Augen wieder herauskommen zu lassen.
    Er wünscht sich, dass seine Jungs ihn nicht blamieren. Es widerstrebt ihm, das zuzugeben, aber er legt Wert darauf, dass sie vor dem Hauptmann gut dastehen.
    Der Anfang ist vielversprechend. Von den meisten wird das Ziel mindestens einmal getroffen. Camporesi, Biasco, Allais und Rovere machen es vorzüglich, Cederna bekommt ein Lob für die Geschwindigkeit, mit der er die Waffe lädt und anlegt.
    Der Obergefreite Ietri ist der Erste, der ihn etwas enttäuscht. Wie immer ist die Decke des Schießstands zu niedrig für ihn. Er muss sich zu dem Maschinengewehr hinunterbeugen. Vielleicht deswegen oder auch, weil ihn der Atem des Hauptmanns an seinem Ohr nervös macht, hält er den Abzug zu lang gedrückt.
    «Munition verschwendet man nicht», ermahnt ihn Masiero.
    Als er finster an ihm vorbeigeht, gibt René ihm einen Klaps auf die Schulter. Ietri ist noch jung, er ist wegen allem gleich beleidigt.
    Zampieri kommt als Letzte dran. Unwillkürlich schaut René ihr auf den Busen, während sie die Leiter hinaufsteigt, aber er hegt keinerlei sexuelle Gelüste ihr gegenüber. Das war noch nie so, vielleicht weil sie eine Art Freundin ist oder weil er sie einmal laut hat rülpsen sehen, nachdem sie eine Dose Bier ausgetrunken hatte, und gewisse Dinge vertragen sich nicht mit seiner Vorstellung von Weiblichkeit. Er behandelt sie wie alle anderen, wie einen Mann. Zampieri ist ein gutes Element, sie lenkt den Lince mit Bravour und der nötigen Dosis Verwegenheit, sie ist entschlossen und kneift vor nichts, auch dann nicht, wenn Torsu in der Kaserne Pornofilme einlegt. Mit verschränkten Armen bleibt sie da und sieht sie sich bis zum Ende an. Nach gewissen Blicken, die er aufgeschnappt hat, würde René wetten, dass sie vorzeiten in Cederna verknallt war, aber keiner ahnt etwas davon. Alle glauben, sie sei lesbisch.
    Zampieri lauscht den Instruktionen des Hauptmanns und nickt. Sie setzt sich die Ohrenschützer auf und reckt den Hals. Sie hantiert am Deckel herum, um den Gurt einzulegen, aber sie kommt mit der Hand nicht gut hin. Jedes Mal, wenn sie versucht, ihn zu positionieren, fällt ihr der Deckel wieder auf die Finger. Die Schulterstütze rutscht ab. «Ich schaffe es nicht», sagt sie und versucht es vergeblich noch einmal.
    Masiero befiehlt den Jungs, eine Palette heranzuschaffen. Di Salvo findet eine im Geräteschuppen, und zu zweit hieven sie sie auf den Turm hinauf. René legt sie auf den Boden, und Zampieri steigt darauf. «Besser so?», fragt er mit Wärme, um sie zu beruhigen.
    «Ja.»
    «Es würde noch besser gehen, wenn man den Gurt richtig einlegen würde», bemerkt Masiero bissig.
    «Sicher. Entschuldigen Sie, Herr Hauptmann.»
    Zampieri hantiert noch am Deckel herum, aber das MG entgleitet ihr immer wieder und neigt sich nach vorn, ein störrisches Tier. René ist ungeduldig. Die Jungs unten am Boden beobachten die Kameradin mit einer Mischung aus Mitleid und Neugier und schauen abwechselnd zu ihm, wie um ihn zu bitten einzugreifen. Der Hauptmann lehnt mit den Unterarmen auf der Brüstung des Turms und hat ein sarkastisches Lächeln aufgesetzt. Endlich gelingt es Zampieri, die Waffe mit dem Ellbogen festzuhalten und den Verschluss zu schließen. «Geschafft.»
    «Das wurde aber auch Zeit. Fertig laden!»
    Die junge Frau versucht, den Spannschieber zurückzuziehen, aber er ist zu fest. Auch René hat vorhin einen gewissen Widerstand gespürt. Jetzt ist er sicher, dass Zampieri es nicht schaffen wird. In der Tat versucht sie es noch einmal, aber sie kann den Spannschieber nicht bewegen.
    «Vielleicht klemmt er», sagt sie leise.
    Masiero stößt sie mit dem Ellbogen beiseite. «Der klemmt nicht, verdammt! Bei dir klemmt’s», und mit einer heftigen Bewegung lädt er die Waffe. «Schieß jetzt!»
    Zampieri zittert nicht, aber ihre Wangen sind röter als sonst und der Nacken steif. Auch René fühlt das Blut überall pulsieren, in den Ohren, in den Händen. Zampieri zielt überhastet, das MG prallt zurück, und der Feuerstoß trifft etwa zwanzig Meter über dem Fass. Der Hauptmann flucht, dann stellt er sich hinter die Frau und stößt sie mit dem Becken nach vorn gegen die Schulterstütze. Wenn sie nicht erstarrt wären, würden die Jungs es an ein paar schlüpfrigen Kommentaren bestimmt nicht fehlen

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