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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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was ihre Absichten sind. Sie drückt ihm zwei leichte, freundschaftliche Küsse auf die Wangen. Sie verströmt einen guten Geruch, der in ihm keinerlei Erinnerung weckt.
    «Nur Mut, Oberleutnant! Es wirkt ja so, als hättest du den Teufel persönlich gesehen.»
    Eine halbe Stunde später ist er bei Ballesio und verlangt Erklärungen von dem Obersten, der unterdessen mit dem Finger äußerst sorgfältig den Boden eines Joghurtbechers auskratzt.
    «Irene, richtig. Sie hat gesagt, ihr seid Freunde. Sie haben’s gut. Ein Prachtweib, keine Frage. Aber sie quasselt unentwegt. Unaufhörlich. Und sie macht Witze, die ich ehrlich gesagt nicht verstehe. Finden Sie nicht auch, dass Frauen, die schlechte Witze machen, etwas Trauriges an sich haben? Meine Frau ist auch so eine. Habe nie den Mut gehabt, ihr das zu sagen.» Ballesio steckt den Zeigefinger ganz in den Mund und zieht ihn von Speichel glänzend wieder heraus wie eine feuchte Wurst. «Und dann scheint sie mir eine von denen, die die Tendenz haben, fett zu werden. Die Beine, sage ich, haben Sie sich die Beine angeschaut? Sie sind nicht fett, aber man sieht, dass sie in Gefahr sind, es zu werden. Ich hatte ein übergewichtiges Mädchen als Unteroffizier und … uff! Die Dicken haben etwas anderes … etwas vom Schwein. Ist sie gut untergebracht?»
    «Ich habe ihr mein Feldbett überlassen.»
    «Gut. Das schätze ich. Ich hätte sie auch hierbehalten, aber ihr seid ja schon Freunde.» Hat er ihm eben zugezwinkert? Oder war das nur sein Eindruck? «Und dann schnarche ich so entsetzlich. Das hätte mir fast die Scheidung eingetragen. Meine Frau und ich schlafen seit vierzehn Jahren in getrennten Schlafzimmern. Nicht, dass ich was dagegen hätte, aber manchmal wache ich selbst auf, weil ich zu laut schnarche. Wie ein Traktor, mehr oder weniger», sagt er hustend. «Gibt es da kein Mittel, Doktor?»
    «Keines, Herr Oberst.» Egitto ist wütender, als er zu erkennen gibt.
    Ballesio untersucht den Boden des Plastikbechers, ob eventuell noch eine Spur Joghurt darin sein könnte. Er hat sorgfältig auch den aluminiumbeschichteten Deckel abgeleckt, der jetzt auf dem Tisch liegt und im Neonlicht schwach glänzt. Nun wirft er den Becher in Richtung Papierkorb, verfehlt ihn aber. Der Plastikbecher prallt am Rand ab und rollt auf den Boden, dem Oberleutnant vor die Füße. Er hofft, dass der Oberst ihn nicht bittet, ihn aufzuheben. «Sicher. Weil es kein Mittel gibt. Pflaster, Pastillen, auf der Seite liegend einschlafen, alles versucht. Es gibt keine Lösung. Wenn einer schnarcht, dann ist das so. Signora Irene wird jedenfalls eine Woche hierbleiben, wenn’s mit dem Hubschraubertransport klappt.»
    «Was macht sie hier, Herr Oberst?»
    Ballesio schaut ihn schief an. «Das fragen Sie mich, Oberleutnant? Was soll ich darüber wissen? Afghanistan ist voll von solchen Irenes, die durch das Land streunen. Sie suchen, sie untersuchen. Ich würde mich nicht wundern, wenn Ihre Freundin hier wäre, um Informationen über einen von uns einzuholen. Wer blickt da schon durch. Heute beschwert sich ein Soldat über irgendeinen Scheißdreck, und sofort fallen sie wie die Hyänen über einen her. Sie soll es sich jedenfalls bequem machen. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Wenn man mich morgen in den Ruhestand schicken würde, wäre ich mehr als glücklich. Aber Sie. Seien Sie auf der Hut.»
    Egitto holt Luft. «Herr Oberst, ich möchte Sie um Erlaubnis bitten, hier zu schlafen. Ich werde Sie nicht stören.»
    Ballesios Gesicht verfinstert sich, dann entspannt es sich wieder zu einem Lächeln. «Das weiß ich. Sicher nicht.
Ich
wäre es, der Sie stören würde, wenn überhaupt. Sagen Sie mir, was ist das Problem, Herr Oberleutnant?»
    «Ich halte es für passender, wenn Signora Irene einen Raum für sich hat.»
    «Sie werden doch nicht schwul sein.»
    «Nein, Herr Oberst.»
    «Wissen Sie, was mein Alter immer gesagt hat? Er sagte, lieber Giacomo, wenn du sie gern schlapp magst, da gibt’s mehr als genug.» Der Oberst fasst sich durch die Hosen an die Eier. «Er war ein Ferkel. Noch mit achtzig kroch er zu seiner Pflegerin ins Bett. Der Ärmste, er ist allein krepiert, wie ein Hund. Ich weiß nicht, ob wir uns verstehen, Oberleutnant», und wieder Augenzwinkern, doch diesmal ganz deutlich, «aber was mich angeht, so können Sie und Ihr Besuch machen, was Sie wollen. Ich habe nichts gegen etwas gesunde Promiskuität.»
    Egitto beschließt, die Anspielungen des Obersten komplett zu ignorieren. Wie

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