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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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werde ich es ihm heimzahlen, das schwöre ich.»
    Sie reden nicht mehr. Der Grappa ist alle, aber Ietri hat es noch zu einer Erektion gebracht. Er späht weiter unter Zampieris Jacke, stellt sich die weißen Brüste vor, bis sie bedauerlicherweise den Reißverschluss hochzieht und sich vor Kälte zusammenrollt. Eine Minute später schläft sie, er erkennt das an ihrem Atem und am Kopf, der rhythmisch nach oben und unten geht.
    Als zwei Stunden später Zeit für die Ablöse wäre, weckt er sie nicht. Er beendet seinen Wachdienst im Stehen, auch wenn es ihn in den Waden kribbelt. Er hat sie lang angesehen, fast die ganze Zeit. Er hat sich erlaubt, sich auszumalen, wie er die Kameradin vögelt, auf dem Boden des Wachturms, wie er ihre Schenkel niederdrückt und ihr den Mund zuhält. Aber er hatte auch zärtlichere Gedanken, in denen sie sich küssten und die Hände streichelten, er zeigte ihr das Haus in Torremaggiore, und sie aßen zusammen mit der Mutter, die aus diesem Anlass Focaccia mit Kartoffeln gemacht hat. Diese Vorstellung ist nicht weniger erregend. Ietri kennt nur eine Art, sich von all dieser Anspannung zu befreien. Er wird zu den Latrinen gehen müssen, wenn der Wachdienst vorbei ist. Das Problem ist – und das ist kein geringes Problem –, dass er keine Taschenlampe hat.

Schauen, schauen und noch mal schauen
    «Ein IED ist eine selbstgebastelte Bombe, das muss man bedenken.
Improvised Explosive Device.
Jeder ist imstande, so was zu bauen. Nehmt einen Kanister chemisches Düngemittel, zwei Kupferdrähte und zwei Klemmen und verbindet alles miteinander. Der einfachste Stromkreis, der sich denken lässt, sogar ein Kind bekommt das hin. Die Bauanleitung steht im Internet. Da könnt ihr nichts machen. Ein IED kostet so viel wie eine Pizza und ein Bier, und das Material findet man im Baumarkt. Eine Mausefalle, das ist es. Und wir sind die Mäuse. Und wegen der IED s ist dieser Krieg so ein beschissener Krieg geworden wie im Irak. Man sieht den Feind nicht mehr, er ist nicht da. Er vergräbt die Bombe, versteckt sich hinter einem Felsen und genießt das Schauspiel.
Bum!
Da könnt ihr nichts machen außer schauen. Ihr müsst alles genau anschauen, immer. Schauen, schauen, schauen und noch mal schauen. Ein Kind, das auf dem Dach steht und euch zuwinkt? Verdacht auf IED . Eine Erdscholle, die etwas dunkler ist als die übrige Erde? Verdacht auf IED . Auch wenn das Erdreich heller ist, besteht Verdacht auf IED . Ein liegengebliebenes Auto? Der verweste Kadaver eines Kamels? Verdacht auf IED . In diesem Krieg sind wir die Trüffelhunde. Wenn der Verdacht auf Sprengkörper besteht, haltet an und lasst die von dem ACRT das erledigen. Hetzt sie nicht. Wenn das ACRT gehetzt ist, fliegt ihr in die Luft. Bringt ihnen zu trinken, ohne dass sie euch darum bitten, denn wenn die von dem ACRT Durst haben und Kopfweh kriegen und durcheinanderkommen, fliegt ihr in die Luft, das muss man bedenken. Das ist ein widerwärtiger Krieg, der widerwärtigste von allen. Ihr könnt einem Taliban nicht das Bajonett in den Bauch rammen, merkt euch das. Sie kommen in ihren weißen, vollkommen sauberen Gewändern daher. Sie gehen und verstecken das IED , und womöglich triffst du sie, wenn sie gerade davon zurückkommen. Sie lächeln dich an, sie sagen Salem aleikum zu dir, und einen Kilometer weiter vorn haben sie ihr kleines Geschenk platziert. Das sind Hurensöhne. Es war besser, als man ihnen noch ein Messer in den Bauch rammen konnte, da konnte man ihnen wenigstens ins Gesicht schauen.
(Zustimmendes Gemurmel.)
Von den IED s weiß man nichts, niemals, das muss man bedenken. Jedes IED ist eine Geschichte für sich. Wir haben Metalldetektoren, und sie bauen die Druckplatte aus Keramik. Wir schicken Roboter zur Erkundung voraus, und sie platzieren die Ladung einen Kilometer weit hinter der Platte. Wir finden die Platte und sind erleichtert, wir heben sie hoch, um das IED zu entschärfen, das aktiviert aber ein anderes genau darunter, und die Ladung explodiert uns unterm Arsch. Die Taliban, diese Dreckskerle, wissen, wie man Krieg führt. Sie tun ja seit fünfzig Jahren nichts anderes.
(Frage.)
Ein Lince hält zehn Kilo Sprengstoff aus, vielleicht zwölf. Hier bauen sie Bomben von fünfundzwanzig Kilo. Fünfundzwanzig Kilo jagen einen Buffalo in die Luft. Eine solche Ladung reißt dich in der Mitte entzwei, wie wenn dir ein Blitz direkt in den Schädel fährt. Es hängt natürlich davon ab, wo das Teil explodiert. Wenn vor dem Panzer, ist

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