Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
Vom Netzwerk:
wenn ich Gabriele ins Bett gebracht habe, trinke ich ihn. Jawohl: ABENDS TRINKE ICH DEINEN WEIN ! Ist da etwas Schlechtes dabei? Hast du etwas daran auszusetzen? Du kannst ja sowieso nichts ändern. Wenigstens bin ich leicht betäubt, wenn ich ins Bett gehe, und brauche nicht daran zu denken, dass du nicht da bist. Wer weiß, wie viele schreckliche Dinge du machst, dort unten, ohne mich. Ich werde verrückt davon, ich schwöre es.
    Ich liebe dich, du dummer Soldat.
    F.
    Von: salvatorecamporesi 1976 @****.it
    An: flavia_c_magnasco@****.it
    Betreff: Re: Re: Re: Große Neuigkeit!!!
    Sonntag, 03 .  10 .  2010 , h 21 : 14
     
    Auch ich fühle mich heute niedergeschlagen. Gestern Nacht gab es etwas Aufruhr. Nichts Ernsthaftes, aber ich konnte nicht schlafen. Und als ich aufstand, war in den Waschräumen kein Wasser. Das ist das dritte Mal in wenigen Tagen. Ich habe mich stückchenweise gewaschen, so gut es ging, aber auch hier ist es morgens jetzt mörderisch kalt. Ich weiß, das scheint eine Lappalie, aber es hat gereicht, um mir die Laune zu verderben. Ich fing an herumzugrübeln, wie schwierig die Dinge sind und wie abscheulich alles ist und so fort. Ich war so gereizt, dass ich Cederna irgendwann um ein Haar eine Ohrfeige verpasst hätte. Er merkt nie, wann der Moment gekommen ist, sein verdammtes Maul zu halten.
    Fast den ganzen Nachmittag habe ich auf dem Bett gelegen. Ich versuchte, mich auszuruhen, aber es gelang mir nicht. Ich versuchte, das Buch zu lesen, das du mir geschenkt hast, aber nichts, keine Chance. Schließlich habe ich angefangen, einfach meinen Gedanken nachzuhängen. Gedanken vor allem an dich und Gabriele. An all die Dinge, die wir an einem freien Tag gemeinsam hätten unternehmen können. Jetzt, wo ich hier bin und nichts machen kann, wird mir klar, dass ich oft zu faul bin. Alle beide sind wir zu faul. Aber wenn ich zurückkomme, wird das anders. Keine Minute werden wir mehr vergeuden.
    Ich hätte dir eher schreiben sollen. Ich stelle fest, dass mir das guttut. Du bist meine Medizin. Ich fühle mich so dumm, wenn du nicht da bist. Fast schäme ich mich, es zu sagen, aber manches Mal ist es, als wüsste ich nichts Rechtes mit mir anzufangen, wenn du nicht bei mir bist. Dort auf dem Bett dachte ich darüber nach, und da habe ich mich noch mehr geärgert. Hast du mir das angetan, Signora Camporesi? Mit welchem Zauber hast du mich von dir abhängig gemacht? Das wirst du mir teuer bezahlen …
    S.
    Von: flavia_c_magnasco@****.it
    An: salvatorecamporesi 1976 @****.it
    Betreff: Re: Re: Re: Re: Große Neuigkeit!!!
    Dienstag, 05 .  10 .  2010 , h 11 : 38
     
    Okay, da kann ich es dir auch gleich sagen, ich kann dir die Wahrheit ja ohnehin nicht verbergen, auch wenn ich dich nicht sehe und nur an diesem blöden Computer schreibe. In Wirklichkeit laufen die Dinge mit Gabriele überhaupt nicht gut. Gestern wurde ich in den Kindergarten zitiert, weil er ein anderes Kind geschlagen hat. Eigentlich hat er ihm nur einen einzigen Faustschlag versetzt, aber den schön fest, er hat ihn umgehauen. Die Kindergärtnerin war wütend, sie sagte, Gabriele sei nicht richtig im Kopf. Genau diese Worte hat sie verwendet: nicht richtig im Kopf. Ihrer Meinung nach ist sein Problem nicht angeboren, er weigert sich ganz einfach zu sprechen, das ist seine Art, uns alle zu manipulieren. Sie sagte das, als wäre er ein Verbrecher, ein Ungeheuer. Aber wie kann sie sich das nur erlauben? Sie hat auch gesagt, wenn sich die Situation nicht bessert, müssten wir daran denken, ihn zu einem Neuropsychiater zu bringen. Neuropsychiater, verstehst du, was das heißt? Ich fühle mich so verloren, Salvo.
    Willst du die ganze Wahrheit wissen? Ich glaube, es ist deine Schuld. Wenn er nicht spricht und immer diesen wütenden Ausdruck hat und wenn er einen anderen geschlagen hat (der aber ein arroganter Rotzbengel ist und es meiner Meinung nach verdient hat). Ich glaube, du bist schuld und deine verfluchte Arbeit. Weil du hier sein müsstest. Es ist auch deine Schuld, wenn ich mich so erschöpft fühle. Und hässlich. Tatsächlich habe ich mir die Haare kurz schneiden lassen. Ja, du hast richtig verstanden! Ich habe meine schönen Locken abgeschnitten, die dir so gut gefielen. Und wenn du nicht bald heimkommst, schneide ich die wenigen, die geblieben sind, auch noch ab. Oder ich färbe sie rot oder orange oder violett. Ich schwöre es. Ich bin so müde. Ich kann nicht mehr. Ich ertrage nichts und niemand mehr.
    Von: salvatorecamporesi 1976

Weitere Kostenlose Bücher