Der Messingmann
virale Neukombinierung gespleißt«, erklärte ihm Cento. »Man benutzte DNA von Reptilien und Fischen, um Menschen eine größere Widerstandskraft gegen Hitze und Kälte zu schenken.« »Also doch für den Planeten da unten?«
»Vielleicht. Man benutzte das auch, um die Chancen zu erhöhen, dass die Leute die Tiefkühlung überlebten.«
Im Verlauf der nächsten Stunde stellten sie fest, dass die Kugelsektion des Schiffes voll war mit Kryoröhren und leeren Laderäumen, in denen einst die Vorräte der Siedler befördert worden waren. Eine einzelne Kontrollzone mit angrenzenden Unterkünften befand sich im Zentrum der Kugel. Hier hatten sich die Kolonisten, in Wechselschichten aufgeweckt, jeweils ein paar Monate lang um die nötigen Reparaturen und Kontrollen gekümmert. Hier erfuhren Fethan und Cento, nachdem sie einen Computer hatten starten können, dass von den dreitausend Siedlern an Bord achtundfünfzig die Reise nicht überlebt hatten - eine noch ganz erträgliche Quote. Fethan fand, dass sich kein heutiger Polisbürger einem solchen Risiko aussetzen würde, aber diese lebten auch nicht mehr im übervölkerten Solsystem und brauchten auch nicht mehr endlosen politischen, nationalen, religiösen oder Konzernkriegen zu entrinnen.
Von der Kugel aus kehrten sie in die Verbindungssektion zurück und folgten dabei einem Gleissystem zur Lastenbeförderung. Hier boten Bullaugen aus Industriequarz Ausblick in den Weltraum, auf den Planeten und auf die Flanken von Landungsbooten, die sich an den Rumpf des Mutterschiffs klammerten wie Libellenlarven an ein Schilfgras. An Kreuzungspunkten liefen Nebengleise in große Luftschleusen, die offenkundig dem Umladen großer Ausrüstungsgegenstände dienten. Am Ende der Schienenanlage zogen sich die beiden Besucher um einen der verlassen herumstehenden Transport wagen herum; die früher mal gummiartige Substanz seiner Reifen hing in Fetzen sowohl an den Decken- wie an den Bodengleisen. Wenig später fanden sich Fethan und Cento in einem engen Schacht wieder, der zu den Besatzungsunterkünften führte. Und hier entdeckten sie eine ausgetrocknete Leiche, die am Metall klebte.
»Na, ich denke nicht, dass so irgendjemandes Siedlungsplan ausgesehen hat«, brummte Fethan. Tanaquil wartete unter den beiden Luftschifftürmen, während die beiden Suchballons daran festgemacht wurden. Wenig später kamen die Besatzungen die Stahltreppe herunter. Tana-quils Atem dampfte in der kalten Luft, und er schlug die behandschuhten Hände aneinander und stampfte mit den Füßen, um die Morgenkälte abzuwehren. Eigentlich hatte er gehofft, er könnte inzwischen mal die Schutzkleidung weglassen und ein paar kurze Monate lang den Aufenthalt im Freien ohne sie genießen, aber der Frühling verlief immer unvorhersehbar. Den Sommer hingegen fürchtete Tanaquil mehr als die zurückliegende Winterkälte, denn es kühl zu halten war schwieriger als zu heizen, und einige Metalleure kamen in dieser Jahreszeit immer ums Leben. Echte Menschen - erkennbar an Handgelenkspornen oder Sekundärdaumen, an Nickhäuten und Lippenfühlern - passten sich mühelos an die Temperaturextreme an. Auf Grundlage alter Texte über dieses Thema hatten Metalleurwissenschaftler den Schluss gezogen, dass ihr Volk im Hinblick auf hohe Intelligenz genetisch aufgebessert worden war, dabei jedoch einen großen Teil der natürlichen Widerstandskraft verloren hatte. Tanaquil hielt das für Schwachsinn: Metalleure waren auch nicht gescheiter als andere Leute auf Cull; sie hatten einfach den Großteil der gespeicherten Kenntnisse aufbewahren können, die aus der Zeit der Besiedlung stammten. Und sie hatten einen Drachen in ihrem Hinterhof, der ihnen erklärte, wie man diese Kenntnisse anwandte.
Schleppenden Schrittes und mit blutunterlaufenen Augen kamen die Besatzungsmitglieder aus den Luftschifftürmen hervor. Tanaquil trat auf einen der beiden Kapitäne zu und fragte: »Irgendwas gefunden?«
Der Mann schien am liebsten losfluchen zu wollen, aber als er den Chefmetalleur erkannte, verkniff er sich das und antwortete höflich: »Da draußen ist unweit von Grit ein Krater entstanden, aber wir wissen nicht, was ihn verursacht hat. Keine Spur von dem Schiff. Einige Mineraleure berichteten uns von einem seltsamen Typen, der allein unterwegs ist, dabei aber Kurs auf die Ebenen hält. Noch ein paar sonstige zweifelhafte Vertreter wurden gemeldet, aber das ist nicht ungewöhnlich - sie findet man da draußen immer.«
»Okay, geht und ruht
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