Der Messingmann
euch aus.«
Der Mann nickte und ging weiter. Tanaquil machte sich auf den Rückweg nach Hause, und seine Stiefel klackten auf den Stahlplatten, die, wie der Chefmetalleur feststellte, derzeit durch ein Minibeben in Schwingung versetzt wurden. Die Beben traten inzwischen eindeutig immer häufiger auf, stellten aber für die widerstandsfähige Bauweise der Stadt noch keine echte Gefahr dar. Und außerdem bewegten Tanaquil dringendere Sorgen.
Vielleicht war die Warnung, die Drache übermittelt hatte, ausgemachter Blödsinn, denn die Erklärungen dieser Kreatur ergaben nicht immer viel Sinn. Als Tanaquil den Schienenwagen erreichte, mit dem er gekommen war, stieg er ein und drückte den Schalter, der das Gefährt in Gang setzte. Es trug ihn über das schmale Wartungsgleis zurück in die Wohnsektion. Unterhalb seines Wohnblocks hielt er an, stieg aus, hielt einigen Leuten die Tür auf, damit sie einsteigen konnten, und vermutete dabei, dass sie zu den neuen Ballonmannschaften gehörten, denn sie
fuhren mit dem Wagen zurück zu den Luftschifftürmen. Tanaquil blieb kurz stehen und blickte hinauf zur Ogygian am Nachthimmel. Wie hätte er derzeit nur seine Pläne aufgeben können? Das war sein Ziel, dort hinauf wollte er, und er gedachte, dabei sein Volk mitzuschleppen. Er seufzte und ging weiter.
Als er das Gebäude betrat, lief ihm kurz ein kalter Schauer über den Rücken. Er spürte, dass ihn etwas anblickte, als er einen der Fahrstühle betrat, die eine Wand der kleinen Eingangshalle säumten. In der Kabine steckte er die Schlüsselstange ins Lesegerät. Die Türen fuhren zu, stockten kurz, als würde etwas sie blockieren, und knallten dann ganz zu. Als die Fahrt nach oben ging, wurde es Tanaquil noch unheimlicher zumute: Er war überzeugt, etwas zu spüren, etwas zu riechen, schwache Geräusche von Bewegung zu hören. Endlich stoppte der Fahrstuhl vor seiner Wohnung, und er verließ dankbar diese klaustrophobische Schachtel. In diesem Augenblick schloss sich eine heiße Hand um sein Genick und schleuderte ihn nach vorn auf den Teppich. Tanaquil schlug mit der Schulter auf, krabbelte ein Stück weit, drehte sich um und richtete sich in die Hocke auf. Jemand war mit ihm in der Wohnung. Er konnte sich nur vorstellen, dass Jeelan ihn hereingelassen hatte. Aber niemand war zu sehen, obwohl er sich panisch umblickte. War er nur gestolpert? Hatte er sich den Griff in den Nacken nur eingebildet?
»Du bist aber früh weggegangen«, sagte Jeelan, die gerade nackt aus dem Schlafzimmer kam und sich noch die Augen rieb. Sie stutzte. »Alles in Ordnung mit dir?« »Ich habe … « , begann Tanaquil.
Jeelan schrie auf und riss die Hand an die Kopfseite, als dort etwas Grauenhaftes aus der hohlen Luft auftauchte. Tanaquil erblickte einen flachen, blattförmigen Körper, zu viele Beine, Blut. Von der Decke gefallen ?
Jeelan stolperte auf einmal rückwärts, als hätte jemand sie geschubst, stieß an einen Schrank aus lackierten Panzerschalen und rutschte daran zu Boden. Tanaquil stürmte auf sie zu und sah, dass sie die Hand über dem Ding hielt, das an ihrem Kopf herumzwackte, aber sie schien es nicht anfassen zu können. Ehe er sie erreichte, krachte ihm etwas an die Brust, dass ihm die Luft ausging und er flach auf dem Rücken landete. Schwer atmend versuchte er sich wieder aufzurappeln. Jeelan zeigte jetzt nur noch das Weiße ihrer Augen. Sie sabberte. Dann sah Tanaquil sie auf einmal nicht mehr, als eine Gestalt neben ihm aus dem Nichts auftauchte, sich mit einem Knie auf seine Brust senkte und mit der Hand seinen Kragen packte. »Jeelan!«
Er erhielt eine einzelne Ohrfeige, einen fast lässigen Schlag, aber es fühlte sich doch an wie von einem Eisenstück. Tanaquil schmeckte Blut und spürte Bruchstücke von Zähnen im Mund.
»Was hast du … «
Etwas huschte am Arm des fremden Mannes auf die Hand zu, die Tanaquils Hals umklammert hielt. Tanaquil versuchte das grauenhafte Ding wegzufegen, aber mit einer einzigen raschen und brutalen Bewegung packte der Angreifer mit der eigenen freien Hand beide Hände Tanaquils und schloss sie so fest und hart darum wie Handschellen. Das Insekt krabbelte über Tanaquils Wange, packte hinter dem Ohr fest zu, als endeten alle seine Spinnenbeine in Angelhaken, und begann sich in den Schädel zu fressen. Zunächst verspürte der Chefmetalleur keine Schmerzen - zu viel Adrenalin -, aber wenig später wurde es furchtbar. Ehe Tanaquil allerdings aufschreien konnte, füllte ihm etwas den
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