Der Messingmann
jetzt erfuhr er vielleicht auch das Wie und Warum. Mika zeigte ein grimmiges Gesicht, als sie von der Analyse der Daten aus den Sonden zurückkehrte, die in Apis steckten wie Nadeln in einer Raupe. »Also, was macht es?«, fragte er, und sein Blick wanderte von ihrer Wie soll-ich-es-ihm-nur-erklären-Miene zu dem Roboter über ihm, der einem Kobrakopf aus Chrom ähnelte, aber an der Unterseite zahlreiche insektenhafte Manipulatoren und Operationsinstrumente aufwies. Nicht zum ersten Mal schauderte ihn angesichts der Ähnlichkeit dieses Apparats mit dem Kapuzler, den er und Eldene dabei beobachtet hatten, wie er den Ersten Kommandeur der Theokratie fraß - nur dass das Besteck eines Kapuzlers dem Zweck diente, die Nahrung zu zerteilen und so sicherzustellen, dass das Raubtier kein Gift zu verdauen bekam. Dass Dörth keinerlei Gift enthalten hatte, konnte das Tier damals keineswegs von seiner präzisen und langfristigen Arbeit abbringen.
Mikas Blick ruhte auf ihrem Laptop, als sie antwortete: »Es bildet Knoten in dir, aber ich habe keine Ahnung, warum -womöglich ist das, was es tut, einfach unvollständig, weil es selbst unvollständig ist. Für diese Aufgabe verbraucht es mehr von den verfügbaren Ressourcen und hat einige seiner übrigen Funktionen gestoppt.«
Apis schüttelte den Kopf. »Zum Beispiel, mir draußen das Überleben zu ermöglichen.«
»Ja, so etwas … Es hat von beiderseitigem Nutzen auf parasitäre Verhaltensweisen umgestellt.« »Als wäre es lebendig«, sagte Apis, obwohl er wusste, dass solche Bemerkungen Mika nervös machten.
Sie warf ihm einen undeutbaren Blick zu, sagte aber nichts.
»Was ist mit den Schmerzen?«, wollte Apis wissen. »Sie resultieren davon, dass die wachsenden Knoten deine Nerven einengen.«
Jetzt meldete sich Eldene zu Wort, die während der ganzen Untersuchung schweigsam geblieben war. »Was hast du vor, dagegen zu tun?«
Der Ausdruck im Gesicht der Frau aus dem Lebenskoven wurde lesbar: Verlegenheit und Mitleid. Sie wandte sich wieder dem Bildschirm ihres Laptops zu.
»Dein körperliches Wachstum reicht inzwischen, um der hiesigen Schwerkraft standzuhalten, und das bildet sich auch nicht mehr zurück. Ich kann versuchen, dich durch eine Operation zu retten.«
»Was meinst du mit >versuchen«, fragte Eldene mit zunehmender Lautstärke.
Ehe Mika darauf antworten konnte, sagte Apis. »Es ist ein Myzelium - genauso gut könnte man versuchen, Spinnweben aus Gelee zu entfernen.«
»Nicht ganz, da seine Fasern zäh sind und nicht so leicht reißen, was es erleichtern müsste, sie zu entfernen. Bislang hätte ich eine solche Operation für unmöglich gehalten, da sich das Myzelium gleich stark im ganzen Körper ausgebreitet hatte. Jetzt hat es aber seine Hauptmasse in den
Rumpf zurückgezogen, von wo Ausläufer in die Gliedmaßen und den Kopf verlaufen. Ich schätze, dass ich über neunzig Prozent davon entfernen könnte.«
»Du hast mir immer noch nicht erklärt, wieso du von einem Versuch gesprochen hast«, beharrte Eldene.
Mika wandte sich ihr zu. »Das Myzelium wird versuchen, alle Schnitte zu schließen, die ich vornehme. Es wird sich gegen den Eingriff regelrecht wehren. Es wird sich auch dagegen sträuben, entfernt zu werden - und die ganze Zeit bestrebt sein, in sein… Heim zurückzukehren. Und selbst falls es mir gelingen sollte, die Hauptmasse zu entfernen, könnten die restlichen Fasern - die in seine Gliedmaßen verlaufen - absterben und bei ihrer Auflösung eine schwere Blutvergiftung herbeiführen. Oder sie bleiben lebendig und wachsen sich zu einem neuen, vollständigen Myzelium aus. Sie könnten sogar am Leben bleiben und zu etwas ganz anderem werden.«
»Welche Alternativen bestehen?«, fragte Eldene.
Mika gab keine Antwort, und Eldene senkte den Kopf, wusste sehr gut, was dieses Schweigen bedeutete. Apis empfand auf einmal Selbstmitleid und hatte das Bedürfnis fortzugehen, das Leben, das ihm verblieb, so umfassend wie möglich auszukosten, aber er unterdrückte diese Regungen kräftig. Falls er unter dem Messer starb, lieferte er Mika womöglich genug Erkenntnisse, um die anderen zu retten, die mit der gleichen Aussicht konfrontiert waren: Mika selbst und Thorn -aber für ihn am wichtigsten: Eldene.
»Kannst du gleich anfangen?«, fragte er.
Mika nickte.
Apis wandte sich an Eldene. »Ich hätte es lieber, wenn du jetzt gingst.«
Sie wirkte verletzt, aber er bezweifelte, dass es ihr besser gefallen hätte, ihn aufgeschnitten auf diesem
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