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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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natürlich entsprechend honorieren: »Pietätlos!«, »Unmöglich!«, »Primitiv!«, »Typisch!«, »Menschen gibt es!« sind nur Auszüge der Kommentare. Auszüge, weil, wenn einer wo seinen Senf dazugibt, auch gleich alle anderen auf die Tube drücken: Es kann eben nicht scharf genug sein.
    Scharf genug können sich die Anschluss suchenden Damen dieser Anstalt gar nicht mehr herrichten, weil sich so ein Todesfall nämlich ganz schlecht auf die Potenz der noch lebenden Männchen auswirkt. Richtig erschüttert hat es die Herren, dieses endgültige Untertauchen des August-David Friedmann. Die Djurkovic versteht ja überhaupt nicht, was die Damen hier an den Männern so anziehend oder ausziehend finden. Nicht im Traum käme ihr da auch nur ein Einziger in den sündigen Sinn. Natürlich ausgenommen ihr wunderbarer Physiotherapeut Jakob Förster, der einzige männliche Lichtblick an diesem Ort der Verdammnis, mit seinen tiefgründigen dunklen Augen und seinen begnadeten Händen. Nur zählt Jakob Förster nicht, denn von Unerreichbarem lässt es sich leicht und vor allem guten Gewissens sündig träumen.
    Nachdem endlich wieder Ruhe eingekehrt ist und in den Zimmern die Fernseher laufen, laufen die Djurkovic und die Burgstaller in die Arme von Prof. Dr. Winfried Berthold.
    »Mhhhmh –  das trifft sich gut, meine Damen, kommen Sie doch gleich einmal mit –  mhhhmh – mhhhmh!«
    Ein Büro erzählt viel über seinen Besetzer. Mahagoniholz, wohin man sieht, die Bücherregale, der Schreibtisch, die zwei davorstehenden Besucherstühle, auch der wuchtige Schreibtischsessel. Und der Glaskasten. In dem stehen keine Trophäen, Prestigeobjekte, Pokale oder in Alkohol eingelegte Körperteile, sondern Lokomotiven. Ob Dampf-, Diesel- oder Elektrolok, aus Blei, Glas, Metall, Holz, aus Knetmasse vom jüngsten Enkel, aus Ton vom ältesten. Der reinste Wagenschuppen, dieser Glaskasten, zur Verdeutlichung eines der kuriosesten tierischen Rückstände der Entwicklung vom Tier zum Menschen: des Sammelns!
    So ein Viecherl weiß wenigstens: Es sammelt für sich, seinen Partner und seinen Nachwuchs, um im Winter nicht vom Fleisch zu fallen. Menschen hingegen sammeln zwar auch, um sich beispielsweise mit Gleichgesinnten auszutauschen, mit dem einen gravierenden Unterschied zum Tierreich: Die Gleichgesinnten, die dieses Sammeln interessiert oder die davon etwas haben, sind mit verschwindend geringer Häufigkeit die eigenen Partner.
    »Sie gehören also zusammen, Sie beide –  mhhhmh?«
    Es wird genickt.
    Professor Berthold betrachtet seine zwei geladenen Gäste, die betrachten ihn ebenso. Schweigend.
    Dann meint er ruhig: »Soso. Na, jetzt sind wir wenigstens unter uns –  mhhhmh! Ich weiß –  mhhhmh  –, dass gerade Sie beide das alles hier als unglaublich lustiges Kasperltheater betrachten –  mhhhmh!«
    Wieder folgt ein schweigsames gegenseitiges Betrachten, wobei der Djurkovic auffällt, dass der Herr des Hauses erstens nervös sein dürfte und zweitens von ihnen beiden deutlich länger Helene Burgstaller fixiert, die da mit ihrem kecken Pferdeschwanz einen ebenso kecken Blick zurückschickt. Wenn Prof. Dr. Berthold allerdings annimmt, mit dieser Eröffnung beiden Damen etwas Respekt ins Gesicht zaubern zu können, hat er sich getäuscht. Seelenruhig sitzen sie auf ihren Stühlen und halten seiner Fleischbeschau stand.
    »Frau Djurkovic und Frau Burgstaller, jaja!«, setzt er fort.
    »Jaja!«, antworten die beiden im Chor, und wie es der Teufel so will, kann sich die Burgstaller abermals ihr Lachen nicht verkneifen.
    »Wissen Sie was –  mhhhmh : Mir sind Patienten, die alles und jeden offensichtlich als Kasperltheater betrachten und trotzdem zumindest teilweise ihren Pflichten nachkommen, bedeutend angenehmer als die vordergründig freundlichen und dann heimlich hintertriebenen –  mhhhmh. Die Damen werden ja nicht annehmen, dass sich noch keiner der anderen Kurgäste bei mir über sie beschwert hätte, oder? Da fühlt sich so mancher offensichtlich zu genau beobachtet –  mhhhmh. Und genau deshalb hab ich Sie zu mir gebeten: Was bitte geht da draußen so vor sich? Wer hat was mit wem, und wer hatte was mit Herrn Friedmann?«
    Beinah unerträglich ist es, dieses durch Professor Bertholds akustischen Reiz verursachte Kratzen im Djurkovic-Hals. Dankend nimmt sie die Frage zum Anlass, einen als Lachen getarnten Huster loszuwerden: »Aber Herr Doktor, komm ich mir gerade vor wie ausspionierte Spion. Ist aber

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