Der Metzger geht fremd
schnell alles gelegt auf Tisch, weil, wissen Sie, hat irgendwie jeder was mit jede. Oder besser gesagt, hat jeder, der was will, mit jeder, die was will. Ist hier ein wenig wie in Swingerklub.«
Jetzt lacht auch der Berthold.
»Ich sag Ihnen jetzt was unter der Hand – mhhhmh: Wenn da wirklich wer gemeinsam mit Herrn Friedmann baden war, dann hat diese Person nicht einmal die Courage besessen, den Todesfall persönlich zu melden, sondern offenbar alle seine Sachen gepackt – mhhhmh – und während der heimlichen Flucht den Notfallknopf gedrückt. Die würd ich mir gern zur Brust nehmen, diese Person – mhhhmh!«
Und wäre die Danjela nicht absolut überzeugt, dass Prof. Dr. Winfried Berthold von ihrem nächtlichen Ausreißer garantiert nichts wissen kann, könnte sie sich durch seinen etwas zu langen Blick, der nicht ihren Augen gilt, mit dem »zur Brust nehmen« durchaus angesprochen fühlen.
»Das kann ich mir vorstellen!«, meint Helene Burgstaller, beugt sich kokett lächelnd ein wenig vor und liefert den Beweis, dass der Herr des Hauses in Anbetracht dieser deutlich strafferen Merkmale einer ausgeprägten Weiblichkeit noch erheblich eindringlicher starren kann.
Werd ich Lustmolch kleine Schrecken einjagen!, denkt sich die Djurkovic, räuspert sich auffällig laut, fixiert suchend die aufgescheuchten Augen und fragt: »Haben Sie genug geschaut? Und trotzdem nix gefunden?«
Ein bisserl rot wird er jetzt, der Herr Professor, was die beiden Damen natürlich höchst amüsiert. Dann folgen die erlösenden Worte: »Keine Handtuch oder Bademantel, auch nix in Ruheraum oder Garderobe?«
»Nichts – mhhhmh!«
»Vielleicht ist Unfall nicht richtige Idee?«
»Wie meinen Sie das?«
Jetzt ist Professor Berthold wieder ganz konzentriert.
»Kann ja auch gewesen sein Vorfall mit ein wenig Sterbehilfe!«
»Sie meinen Absicht? – Mhhhmh – besser gesagt: Mord?«
Keinem ist mehr zum Lachen.
»Das Letzte, was ich in meinem Haus brauch, ist die Polizei und so eine blöde Geschichte. Verbreiten Sie Ihre Phantasien um Gottes willen nicht außerhalb meines Büros, Frau Djurkovic – mhhhmh: Herumschnüffeln muss hier wirklich niemand.«
Bei »schnüffeln« wirft er Helene Burgstaller einen kurzen Blick zu: » Mhhhmh – immerhin geht es auch um die Intimsphäre meiner Gäste.«
Es folgt das nächste Augenspiel in dieselbe Richtung: »Und da zählt mein Grundsatz: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß – mhhhmh!«
Und während sich beim Ritardando des Wörtchens »heiß« zwei Blicke finden, wird der unbeachteten Djurkovic bewusst, wie gänzlich dieser Berthold-Grundsatz ihren eigenen Prinzipien widerspricht.
9
D ER M ETZGER IST ALSO in den Genuss des vorderen Stoßdämpfers gekommen. Zuerst technisch, dann kulinarisch. Vom Technischen ist er lückenlos überzeugt, vom Kulinarischen kann er das leider nicht behaupten.
Problemlos konnte der Metzger bei seinem beabsichtigten wilden Ritt über die holprige Wiese dank der Federung kontrolliert sein Ziel ansteuern. Der Heuhaufen hat dann bremstechnisch auch nichts zu wünschen übrig gelassen, beinah abrupt ist das Rad zum Stillstand gekommen. Nicht jedoch Willibald Adrian Metzger: Der ist mit aufgerissenem Mund, festgekrallt am Lenker, im flüchtigen Handstand gelandet und körperlich komplett überfordert aus dieser ungewohnten Position, begleitet vom Knistern des Heus, über den Lenkervorbau zum rettenden Stoßdämpfer hinuntergeglitten, um beiläufig in denselben zu beißen, womit es also mit der Lückenlosigkeit sein Ende hatte.
Wenigstens ist nicht das Leben verloren, sinniert er versunken im Heu vor sich hin, wie es ihm so ungewohnt beim Mund hereinzieht, ein Vorderzahn reicht aber auch. Der hat sich halbiert, genau unterhalb der Nerven.
Schmerzfrei, bis auf das leicht aufgeschürfte Nasenbein, befreit sich der Metzger aus dem Haufen, ganz dem Gedanken ausgeliefert: Hab ich ihn jetzt verschluckt oder nicht? Für die Beantwortung dieser Frage wird er sich allerdings noch etwas gedulden müssen.
Während er das Rad gemächlich zur Straße hinunterschiebt, hinterlässt ein viel zu schnell fahrender dunkelblauer Lieferwagen eine ausgedehnte Staubwolke über dem Schotterweg. Und so friedfertig der Metzger ansonsten auch ist, kommt ihm jetzt doch der Gedanke an einen Reifenplatzer, ein Bremsversagen und ein frontal an die Windschutzscheibe klatschendes Rotkehlchen.
Auf der Bundesstraße widmet er sich dann endlich
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