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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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ihr Eintreten nicht einmal einen Gruß wert war, unweigerlich aufs eigentliche Thema zurückwirft: Tratsch.
    Tratsch eignet sich nämlich nicht nur zur Machtausübung, Verunsicherung und um sich zweifelhaften Respekt zu verschaffen, Tratsch eignet sich auch hervorragend zur Demonstration der Dummheit seiner Urheber. Zusammengepfercht mit zwei Damen, einer Hellbraunen mit hellblonden Fransen, einer mit schwarzen Augenbrauen und Handtuch am Kopf, nimmt der Fahrstuhl Fahrt auf.
    Alle wollen in den dritten Stock.
    »Das ist ja wirklich das Letzte, dieser blöde Trampel!«
    »Genau!«
    »Wenn ich so ausschaun täte wie die, würd ich keinen Bikini anziehn, aber echt!«
    »Die wollt halt ihr Nabelpiercing herzeigen.«
    »Und, was ist an dem so besonders? Das hat ja heute schon jede zweite Fünfzehnjährige, aber ohne dass es dafür Hausarrest oder Taschengeldentzug gibt. Na wirklich!«
    »Und hast du ihren Hängebusen gesehen? Grad, dass ihr die nicht aus dem Körbchen gefallen sind, wie letscherte Kipferl. Einfach nur grauslich und so was von peinlich. Das ist echt eine penible Tussi!«, meint die Hellbraune.
    »Wieso penibel?«
    »Na, ordentlich halt! Eine ordentliche Tussi ist das. Eine Provozierung für den guten Geschmack.«
    Zum ersten Mal ist die Djurkovic glücklich über ihren Akzent. Besser gebrochenes Deutsch als Deutsch zum Brechen.
    Unter dem Bademantel der eventuell Schwarzhaarigen mit den schwarzen Augenbrauen kommt ein recht apartes gebräuntes Knie zum Vorschein, so ein ähnliches hätte die Danjela auch gern, wäre sie ein etwas schlankeres Vögelchen. Das rechte Fußgelenk schmückt ein goldenes Ketterl, so ein ähnliches hätte die Danjela auch gerne, wäre sie ein Wellensittich.
    Unter dem Handtuch muss ein kluger Geist sitzen, denn sie lernt schnell: »Und dann dieser pseudomännliche Kiefer. Der ist ja erst penibel peinlich!«
    »Was? Glaubst du echt, die hat sich da operieren lassen? Da hätt ich aber mit was anderem angefangen!«
    »Nein, Kiefer, Kurt Kiefer! Dieser Waschlappen von einem Mann, der ihr überallhin nachschwanzelt, diesem ordinären Proletenweib …«
    Bei »Kiefer« bleibt der Lift im zweiten Stock stehen, bei »Waschlappen« tönt ein dezenter Gong durch die Kabine, bei »diesem« öffnet sich automatisch die Innentür, bei »ordinären Proletenweib« mechanisch die Außentür, bei »Leimböck!« sieht die Djurkovic ins Gesicht des neuen Fahrgastes.
    Dass diese Anrede als Form der Begrüßung wahrgenommen wird, ist eher unwahrscheinlich. Gertrude Leimböck spricht kein Wort. Auch die anderen haben zum Glück das Sprechen eingestellt. Was bedeutet: Sie weisen sich nun, durch das Wegfallen dieses Gesprächs, als nicht mehr allein zusammengehörig aus. Was weiters bedeutet: Die Leimböck sieht beim Einsteigen drei beisammenstehende Damen, von denen eine den schmeichelhaften Titel »Proletenweib Leimböck« verwendet hat. Da kann sich die Danjela nur gratulieren. Denn für Gertrude Leimböck, die ins Erdgeschoss will, ist, was die Djurkovic betrifft, das Maß jetzt voll. Bloßstellen wird sie diese Kroatenschlampe, dass es eine Freud ist! Dass das der Djurkovic vor ihrer Zimmertür gleich selbst gelingt, weil sie unter ihrem Bademantel nichts weiter trägt als die gottgewollte Grundausstattung, wird der Leimböck aber nicht genügen.
    Mühsam und hektisch durchwühlt die Danjela ihre beiden Bademanteltaschen. Während sie dort alles Mögliche ertastet, nur nicht die benötigte Steckkarte, also den Zimmerschlüssel, öffnet sich das weiße Frottee zu zwei engelhaften Flügeln. Und nun kommt die Freude ins Spiel. Zumindest für den vorbeigehenden, deutlich langsamer werdenden Herrn, dem diese überraschende Unbedecktheit einen grundehrlichen Pfiff wert ist. Das ihm zugedachte »Mann hat Hirn in Hose!« erwidert der Glückspilz mit: »Aber auch den eigenen Zimmerschlüssel!«
    Der von Danjela dagegen bleibt verschollen.
    Dafür findet sich sofort die Ursache für das plötzliche Summen ihrer rechten Bademanteltasche: »Hallo?«
    »Spricht dort Djurkovic?«
    »Ja?«
    »Ich bin's, Jakob Förster!«
    39
    W ILLIBALD A DRIAN M ETZGER hat der Kirche den Rücken gekehrt und sitzt nachdenklich im Kastenwagen. Innerhalb kurzer Zeit sind da Informationen auf den Metzger niedergeprasselt, von denen er gar nicht weiß, ob es gut war, sie gehört zu haben. Besonders herausstechend war dabei der Hinweis über die Verbindung zwischen Ferdinand Anzböck, dem Sonnenhof-Hausmeister, und August-David

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