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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Hirzinger Hans nie, und des wird er auch nicht mehr werden. Zwei Enkerl haben ja eh schon wegen ihm den Hof verlassen! Irgendwann hockt er da allein. Er hätt's net anders verdient!«
    4. Gsetzl aus: Der Freudenreiche
»… du geboren hast…«
    »Des ist übrigens die Luise.« Sie nimmt auch das zweite Bild zur Hand.
    Den Metzger packt die Neugierde, und er ahnt nicht, welchen weitreichenden Tatsachen er mit der folgenden Frage zur Geburtsstunde verhilft: »Und wer sind die anderen?«
    Von links nach rechts deutet nun ein sehr faltiger und knochiger Zeigefinger auf jedes der Gesichter. »Des is also die Paula, des muss gar nicht lang vor ihrem Verschwinden gemacht worden sein, des Foto; daneben is der grad verstorbene August-David, der wor damals als Knecht am Hirzinger-Hof angstellt. Bevor er die Luise gheiratet hat, die da auf dem Foto gleich neben ihm steht. Liebesheirat wor des übrigens keine, mehr eine Pflichterfüllung. Die Luise schon schwanger, der August so schweigsam wie immer und der Hirzinger Hans fuchsteufelswild. Eine Jännerhochzeit wor des, kann ich mich gut erinnern, des kommt nicht so oft vor bei uns. Da hot aber ausnahmsweise des kalte Wetter mit der Stimmung gut zusam-mengepasst; und der Letzte da ganz außen, des is der Ferdl, eigentlich Ferdinand Anzböck, der hot früher, des is aber schon sehr lange her, in der Gegend auf den meisten Höfen als Schlachtgehilfe ausgholfen. Des war ein netter Mensch, sag ich Ihnen. So positiv und voll Lebenslust, wie ein Südländer, mit dem Herz am rechten Fleck. Und verloren hot er's damals auch, ganz vernarrt wor er, des sieht man auch auf dem Foto da. Schauns nur hin, wo der seine rechte Hand hot. Jaja, des wor seine große Liebe, die Luise, des hat a jeder hier gwusst. Wie die dann den August gheiratet hat, is er richtig zerbrochen. Zwei, drei Jahr hat er noch ausghalten, dann is er weg. Was aus dem wohl gworden ist?«
    Hausmeister einer Kuranstalt, geht es dem Metzger durch den Kopf, und ihm wird ein wenig schwummrig.
    5. Gsetzl aus: Der Glorreiche
»… der heilige Geist gesandt hat…«
    »Und was aus dem Xaver und der Clara gworden ist, des hätt i auch gern gwusst. Gut, dass zwei Friedmann-Kinder so früh weg sind, des sag ich Ihnen. Der alte Hirzinger, der is ja päpstlicher als der Papst. Mit dem gibt sich keiner gern ab. Außer vielleicht unser Pfarrer!«
    Einmal mehr wird dem Metzger bewusst: Wenn die Alten zu erzählen beginnen, wird ein Stück Himmel spürbar, und es öffnet sich die einzige Schatzkammer der Vergangenheit, um ihren Reichtum freizulegen: verborgenes Wissen, erlebte Erfahrung und begründete Erkenntnis. Nichts führt zu mehr Verlust als das Schweigen der Alten und die Gleichgültigkeit der Jungen. »Pfarrer« muss dann das Stichwort gewesen sein, denn beim Hauptaltar öffnet sich die Tür zur Sakristei, und dem Metzger steht eine abermalige väterliche Begegnung bevor.
    Davor trifft er aber auf einen anderen alten Bekannten. Wochenlang hat er ihn verschont, als wäre sein neues Leben in trauter Zweisamkeit die ideale Entwöhnungskur. Dieser Schmarotzer im Gesicht des Willibald, diese Zurschaustellung eines lächerlichen Makels, der in seiner Minimalität, in seiner Lächerlichkeit und dem daraus resultierenden kurz angedeuteten, unbeabsichtigten Lächeln nichts anderes macht als den Wirt lächerlich. Und dabei zynisch die Botschaft verkündet: Dieser Mensch hat sich nicht ganz unter Kontrolle. Heftig zuckt also der rechte Mundwinkel, als wolle er dem Metzger klarmachen: Nein, nein, alter Junge, du hast dein Leben nicht im Griff, und genau jetzt bist du wieder allein, auf dich gestellt.
    Nach dieser kleinen Erleuchtung in der Kirchenbank ist ihm klar geworden: Dass August-David Friedmann und Ferdinand Anzböck, zwei, die am selben Hof gearbeitet haben und sich durch eine grausame Laune des Schicksals in derselben Kuranstalt abermals über den Weg laufen, dass also diese beiden Herren innerhalb von drei Tagen am selben Ort das Zeitliche segnen, das kann kein Zufall sein.
    Und weil der Metzger jetzt, von seinen Gedanken und dem nervösen Zucken übertölpelt, einfach nur dahockt und ins Leere starrt, fällt seine Reaktionszeit, die beiden Fotos betreffend, ausgesprochen verzögert aus. Während er noch überlegt, ob er nun seiner Nachbarin einfach grundlos die beiden Abzüge aus der Hand reißen kann oder nicht, steht der väterliche Besucher bereits neben der Bank, wodurch das neuerliche Aufeinandertreffen einen zusätzlichen

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