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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Friedmann, der sich vor Jahren justament die Geliebte des Schlachtgehilfen als Gemahlin ausgesucht hat!
    Dass genau diese beiden Herren, die einst am selben Hof gearbeitet und geliebt haben, innerhalb weniger Tage ausgerechnet in derselben Kuranstalt umkommen, ist schon äußerst mysteriös. Zusammen mit dem Friedmann-Tod, dem Taschentuchfund der Danjela und der wieder einmal gemeinsamen Liebschaft zu Gertrude Leimböck hätte das den Anzböck schon in ziemliche Argumentationsnot bringen können, wäre er noch am Leben.
    Nichts ist naheliegender als die Theorie: Ferdinand Anzböck hat seinen ewigen Kontrahenten ins Jenseits befördert und ist dann zufällig zwei Tage später aus eigener Ungeschicklichkeit vor die Hunde oder vielmehr Haie gegangen. Der Metzger muss Klarheit schaffen in seinem Hirn. Im Handschuhfach findet sich dazu, wie erhofft, das nötige Arbeitsmaterial: ein Kugelschreiber und ein kleinformatiger Block.
    Papier hilft, um manch bedenklicher geistiger Unordnung ein wenig Struktur zu verpassen: Der ganze Wust an Erzähltem würde dem Willibald in dieser Eindringlichkeit sonst garantiert abhandenkommen, vor allem die Vielzahl der Namen. Es braucht einige Zeit und einige Zettel, bis in das anfänglich wirre Herumgekritzel etwas System kommt.
    Schließlich hat der Metzger eine halbwegs übersichtliche Darstellungsform gefunden.

    Was nun auf seinem Schoß liegt, wirft ein ziemlich großes Fragezeichen auf, gerade in Verbindung mit dem Geschehen in der Kuranstalt und dem Hinzufügen eines weiteren Punkts: des gefundenen Rings mit der Gravur » August-David, 1.4.1974«.
    Denn angenommen, dieser Eintrag bezieht sich wirklich auf August-David Friedmann, dann kann das unmöglich ein Ehering sein. Offizielle Vielweiberei ist in einem schwer katholischen Umfeld auszuschließen.
    Das könnte bedeuten, dass August-David Friedmann eine Affäre hatte, und zwar:
    •   ziemlich bald nach seiner Hochzeit;
    •   während seine Schwägerin, die fünfzehnjährige Paula, schwer krank war und verstorben ist,
    •   während seine Frau Luise mit dem ersten Kind Xaver schwanger war.
    Und dieses »schwanger« muss im April schon ziemlich schwanger gewesen sein, immerhin wusste man ja bereits im Jänner, zum Zeitpunkt der Eheschließung, davon. Da muss ein gerade verheirateter, noch kürzlich als Knecht angestellter junger Mann schon ganz schön auf Zack sein, wenn er unter diesen Umständen, neben all seiner Arbeit am Hof und neben einem grimmigen Bauern, auch noch eine Affäre unterbringen will.
    War August-David Friedmann wirklich so ein triebgesteuerter Halunke? Und weil der Metzger gerade dabei ist, die letzten Tage Revue passieren zu lassen, marschieren vor seinem inneren Auge alle Damen auf, die ihm im Zusammenhang mit dem Todesfall zu Ohren gekommen sind. Natürlich auch jene von Danjela Djurkovic im Speisesaal aus der Anrufliste des Friedmann-Handys so begeistert vorgelesenen. Während der Metzger die
    Namen unter dem Stammbaum notiert, wird ihm ein wenig anders:
    •   nicht beim Eintrag Gertrude Leimböck – das war anscheinend eine Affäre;
    •   auch nicht bei der »Oh Gott«-Johanna – das war offenbar gleich die nächste Affäre;
    •   ebenfalls nicht bei Luise – das war auch einmal eine Affäre, die sich offenbar mit einer Schwangerschaft und anschließender Pflichtvermählung geschickt aus der Affäre gezogen hat, um keine mehr zu sein;
    •   anders wird dem Metzger erst beim letzten Namen: bei Paula.
    Gewiss, es gibt viele Paulas, das steht außer Frage. So unter dem Hirzinger-Stammbaum allerdings, neben dem Luise-Eintrag vermerkt, könnte man schon auf die Idee kommen, die Paula, die als getätigter Anruf auf dem Friedmann-Handy archiviert ist, war eine versuchte Kontaktaufnahme zu einer Verstorbenen. Zu einer, von deren Tod Maria Zellmoser ja nicht wirklich hundertprozentig überzeugt ist.
    »Kann ja nicht sein!«, denkt sich der Metzger, während er sich an seine Mutter erinnert. Eine allergische Reaktion auf diesen Ausspruch war ihr geblieben, als kleines Vermächtnis einer glücklosen Ehe. »Kann ja nicht sein!«, war stets, wie vom Tonband, die einleitende Ansage ihres bitter enttäuschten, an die Grenzen des Verkraftbaren herangeführten Ehemanns. Anlass dieser bitteren Enttäuschungen waren unter anderem ein auf dem Teller liegendes zu wenig von Fett durchzogenes Geselchtes, zu viel gewürzte Suppen, ein zu warmes Bier, zu lang gekochte Eier, der Wäscheständer zwischen

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