Der Metzger geht fremd
erwiesen!«
»Aber mit dem alten Hirzinger dürft er sich ja recht gut verstehn?«
»Verstehn ist da reichlich untertrieben. Verbandelt sind die, warum auch immer. Ich erinner mich noch, als ob's gestern w㰬 wie nach ihrem Bruder auch endlich die Clara Friedmann den Hof verlassen hat. Da hat er sie in einer Predigt über das vierte Gebot, ›Du sollst Vater und Mutter ehren‹, dermaßen vor der ganzen Gemeinde angeschwärzt, die Clara hätte man danach neben seiner Kutte gar nicht mehr gesehen. Stinksauer war da unsere Resi, die beste Freundin von der Clara. Heimliche Freundin natürlich, weil ja der Hirzinger kaum jemand an die Familie heranlassen hat. Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was die Clara und der Xaver in ihrer Kindheit mitgemacht haben sollen, na, dann pfiat di Gott. Das Schlimme ist, dass da die eigenen Eltern, der August-David, dieser Waschlappen, und die Luise, immer nur zugeschaut haben. Die Luise ist ja sowieso die Leibeigene vom Hirzinger Hans. Jaja, eine einzige bösartige Person reicht schon aus, um eine Familie oder ein ganzes Land in den Untergang zu treiben. Dass die Kinder da den Mut aufgebracht haben, wirklich davonzulaufen, das ist ein Wunder. Unsere Resi hat damals der Clara auch ordentlich zugeredet. Wie's dann Gott sei Dank endlich so weit war, haben wir der Clara geholfen mit der Wohnungssuche und ein bisserl einem Körberlgeld. Hab schon lang nichts mehr gehört von ihr, aber das ist egal, Hauptsache, sie hat ihr eigenes Leben gefunden. Obwohl, ich hab noch ihr Ketterl. Ja, und vom Xaver weiß man ja gar nix!«
»Was für ein Ketterl?«
Der Reindl-Bauer erhebt sich, öffnet die Lade einer an der Wand stehenden Eichenholzkredenz und legt es auf den Jogltisch. Ein Schutzengelketterl mit einem lieblichen rosa pausbackigen Gesicht auf blauem Hintergrund. So eines hat dem Metzger erst kürzlich aus dem borstigen Brusthaar von Benedikt Friedmann entgegengelächelt.
»Das ist das Taufketterl von der Clara. Bei allen Friedmann-Kindern ist der Taufpate der eigene Großvater, und wahrscheinlich hat jedes von ihnen so ein Schmuckstück. Da kann man sich nur gratulieren, den eigenen Großvater als Taufpaten! Wie sie damals weg ist, die Clara, hat sie sich das Ketterl hier am Tisch heruntergerissen. Das hab ich gut verstanden, aber weghauen kann ich das halt nicht. Ein geweihtes Schutzengelketterl. Ich heb's ihr auf, weil was kann der Schutzengel dafür, wenn der Taufpate der Teufel ist!«
Im Hinblick auf das weitere Sonntagsprogramm besteht das größte Glück des Willibald Adrian Metzger darin, dass der Reindl-Bauer über eine ziemlich feine Beobachtungsgabe verfügt: »Wollens was Gscheites zum Essen, wir haben da noch ein Gselchtes mit Griesknödeln und Sauerkraut vom Mittag über!«
»Kann ja nicht sein«, wäre es dem Metzger-Vater bei einer dermaßen mageren aufgetischten Scheibe Fleisch ausgekommen, für den Willibald allerdings ist das Grund zum Frohlocken: »Kann ja nicht sein, dass ich aus einem Auto fallen muss, um nach Jahren wieder einmal an so ein feines Stück Schweinernes zu geraten!«
Und während der Metzger seinen Magen füllt, erfährt er, was dem Reindl-Bauern noch so auf dem Herzen liegt. Wobei da wohl einer der größten Brocken die ausgeprägten Feindschaften sind, die der Hirzinger Hans und sein Abbild Benedikt Friedmann zu ihren unmittelbaren Nachbarn, also auch dem Reindl-Hof, pflegen. Was als Auslöser herhalten musste, davon hat der Reindl-Bauer genauso wenig Ahnung wie wahrscheinlich mittlerweile die beiden Streithanseln selbst. Wenn wer auf ein wenig Zwietracht aus ist, was ja offenbar für so manchen Grundeigentümer ebenso selbstverständlich zur regionalen Tracht dazugehört wie die Lederhose, das Pfoadhemd oder der Steireranzug, dann stinkt die an den Haaren herbeigezogene Begründung dieser Zwietracht genauso zum Himmel wie das seit seiner Anschaffung noch nie gereinigte Trachtenkostüm.
Der Appetit vergeht dem Metzger jedoch trotz der ausführlichen Schilderungen dieser ekelerregenden Auswüchse menschlicher Niedertracht nicht, aber nur, weil er dank seines Heißhungers nicht daran denkt, dass er sich selbst nicht unbedingt als Freund der Hirzinger-Familie qualifiziert haben könnte.
Nach dem Essen folgt eine rührselige Verabschiedung, bei der dem Metzger abermals ein Lunchpaket mitgegeben wird samt einem unwiderstehlichen Angebot aus dem mittlerweile zurückgekehrten Kindermund: »Wenn du das nächste Mal kommst, kann ich schon selber Traktor
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