Der Metzger geht fremd
erklären können: »Weißt du, Franzerl, der liebe Gott muss von da oben ziemlich allein auf die ganze Welt aufpassen, stell dir das einmal vor. Gut, er hat die Maria und den Jesus und die Engeln, aber viel ist das nicht. Und weil die Mama so eine Gute und so eine Liebe ist, hat er sie gebeten, ob sie ihm vielleicht nicht helfen könnte bei der ganzen Arbeit. Was hätte die Mama denn da anderes sagen sollen als: Na gut, wenn's sein muss, helf ich dir halt. Das Gute daran ist, dass sie jetzt immer auf dich aufpassen kann, auch wenn sie grad nicht hinter dir steht. Und ihren Schutzengel braucht sie auch nicht mehr, weil sie ja eh schon im Himmel ist. Den bekommst du jetzt als zweiten dazu!« Dann hat der Reindl-Bauer seiner Franzerl das Ketterl seiner Tochter umgehängt und gemeint: »Sei nicht bös auf die Mama oder den Herrgott. Jetzt hast du die Mama da oben, dann noch zwei Schutzengeln, und da herun-ten, da hast du schließlich auch noch den Papa und mich. Jetzt kann dir ja fast nix mehr passieren!«
Das hat die Franzi dann verstanden. Zum Glück hat auch noch gerade die Else eine flauschige Berta gekalbt, und mit einem Schlag war sie weitaus weniger traurig als die beiden Herren, die da herunten auf sie aufpassen sollten. Wenn das nicht so gewesen wäre, wenn der Franzi Kaiser nicht so schnell die Sonne ins Gesicht und ihre Mama in die Augen zurückgekommen wäre, ihr Opa, der Reindl-Bauer, und ihr Papa, der Kaiser-Bauer, die wären heute ganz andere.
»Und das Potetenauto haben wir auch wieder gesehen, stell dir vor!«
Detailliert muss der Metzger erzählen, wie er aus dem Auto geflogen ist und warum. Ein richtiger Spaß kommt da auf, und mehrmals darf der Willibald für die kudernde Franzi die Stelle von ihrem Aufeinandertreffen wiederholen: »Zuerst stürz ich aus dem Auto und reiß mir die Hose auf, dann stürzt sich beinah eine Mäusejägerin auf mich, weil sie nichts gerissen hat, dann stürz ich mich als Retter auf die kleine Kaiserin, weil ich Hosenscheißer nicht überreiß, dass da nur ein Traktor kommt, dann beißen mir scharfe Zähne bestürzt fast den Daumen ab, und zu guter Letzt reißt mir der große Kaiser eine, und ich werd gestürzt wie ein Wackelpudding!«
Besonders das »Hosenscheißer« und der »Wackelpudding« haben der Franzi gefallen. Ja, der Metzger nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Erstens fühlt er sich in Gegenwart dieser sonnigen Runde einfach pudelwohl, wobei ihm schmerzhaft bewusst wird, wie selten er von Kindern umgeben ist, und zweitens ist seine Neugierde erwacht.
Er landet mit seiner Erzählung in der Kirche, bei Maria Zellmoser, Pfarrer Bichler, dem Foto und seiner Unfolg-samkeit, und der Reindl-Bauer beginnt zu lachen: »Das glaub ich, dass das unserem Pfarrer, dem selbstherrlichen Affen, nicht gefallen hat!«
»Gell, Opa, auch die Pfaffen stammen vom Affen!«, mengt sich Franzi ein und würde dem Pfarrer Bichler mit ihren vom Großvater eingetrichterten Ansichten zur Entstehung des Menschen wohl keine rechte Freude bereiten.
Und weil das Gespräch nun unüberhörbar eine deutlich deftigere Richtung einschlägt, wird die kleine Franzi von ihrem Vater bei der Hand geschnappt: »Komm, Zwergerl, gehn wir in den Stall nachschaun, wie's der Berta geht!«
Kaum sind die beiden draußen, legt der Reindl-Bauer los: »Der Pfarrer Bichler führt ein Regime, als wäre er der Paulus höchstpersönlich! Bei anderen die Ansprüche hochhalten und bei sich selbst mit der Vergebung der Schnellste sein. Weil wenn er richtig gebraucht wird, der ehrenwerte Hochwürden, so wie bei unserer Resi, dann hat er Termine oder ist wo bei einer wichtigen Brotzeit! Kein einziges Mal hat der sich bei uns anschauen lassen, damals, obwohl wir ihn für die Sterbesakramente gebraucht hätten. Wegen einem Taufgespräch und einem Schnupfen hat er sich von seiner Köchin entschuldigen lassen. Nicht einmal persönlich angerufen hat er am nächsten Tag. In der Nacht ist dann die Resi gestorben, ohne Sakramente. Dem Herrgott ist das mit den Sakramenten sicher komplett egal, trotzdem, der Schnupfen vom Pfarrer hätte unserm Kind garantiert weniger geschadet als dem Säugling beim Taufgespräch. Jaja, im Verhalten, das ein Priester im Umgang mit dem Sterben zeigt, zeigt sich sein Fundament. Und da ist dem Bichler sein ganzer Protz auf Sand gebaut. Ich hör mir dieses eitle Geschwafel und diese widerliche Selbstbeweihräucherung nicht mehr an. Mit so einem verlogenen Bichler-Gottesdienst wird Gott kein Dienst
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