Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
eingestehen: Ohne diese erbarmungslose Brutalität gäbe es wahrscheinlich weder dieses Geständnis noch Grund zur Hoffnung. Eine Hoffnung, die unter anderem durch eine immer wieder auf 200 deutende Tachonadel und mehrmals die Nacht erhellende Radaranlagen gespeist wird.
Am Ziel angelangt, wiederholt Gustav Eichner mittlerweile ohne Widerwillen die nötigen Angaben. Petar Wollnar wird zwecks Aufpassens im Audi A7 zurückgelassen und der bereits, diesmal mit mehreren Beamten, wartende Josef Krainer in die Lage eingewiesen.
So schweigsam und regungslos hat der Metzger den Krainer noch nie erlebt.
»Leichenstarre?«, kann sich auch Heinzjürgen Schulze nicht verkneifen. »Wir können das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, Krainer, bis jetzt ham Se versagt, aber ab jetzt können Sie zeigen, was in Ihnen steckt. Also, los geht’s.«
Und nichts treibt den männlichen Tatendrang mehr an als die frisch ausgebrochene Infektion namens Liebe, im Fall Josef Krainers und Eva-Carola Würtmanns mit der Inkubationszeit eines Augenblicks.
Dann teilt sich die Gruppe gemäß der nun bis ins Detail besprochenen Ablaufpläne.
Einladend, pompös wie ein Grandhotel erstrahlt die Außenfassade der von Primarius Dr. Helmut Lorenz geleiteten Privatklinik.
Schulze macht sich, gefolgt von Willibald Adrian Metzger, mit dem Vorsatz, etwas stehlen zu wollen, auf in das zweite der drei vorhandenen Stockwerke.
Die hiesige Polizei, allen voran Josef Krainer, allerdings führt der, zumindest gegenüber den Einsatzkräften und dem Spitalspersonal geäußerte, Vorsatz, einen flüchtigen Dieb stellen zu wollen, abwärts.
Josef Krainer steigt mit seiner Einsatztruppe in einen großen Lastenaufzug, gibt den ihm von Schulze genannten Code in eine Zifferntastatur ein, wodurch sich der Fahrstuhl in ein auf der Anzeige nicht ausgewiesenes Untergeschoss bewegt. Steril, aber unfassbar luxuriös in der Ausstattung ist der sich dort auftuende Gang. Elfenbeinweiße Wände, ein elfenbeinweißer Industrieboden, elfenbeinweiße Ledersessel, Kristalllüster, ein Ambiente wie im Palast der Schneekönigin. Nur für Bewunderung ist keine Zeit. Josef Krainer läuft den Gang entlang, vorbei an wartenden Menschen, die mit besorgten Mienen in einer wie ein Wohnzimmer anmutenden Koje auf elfenbeinweißen Couchen sitzen, ihre Füße auf einem im Ausmaß gigantischen Perserteppich, in ihren Händen von einer Servierdame überreichte Getränke.
Laut hallen die Schritte der zur Milchglasschiebetür stürmenden uniformierten Männer, dann wird es still, an einer Sprechanlage geläutet, die Tür aber bleibt verschlossen. Erfolgreich entpuppt sich ein Ledersessel als Wurfgeschoss und genießt unbeirrt die für ihn vorgesehene Flugbahn. Durch das zerborstene Glas sind, als wäre sie in einen Ameisenhaufen gestiegen, hektisch aus Seitenräumen herausstürmende Menschen zu sehen, alle bekleidet mit mattgrünen Zweiteilern, Plastikhauben und Mundschutz. Jede der Fragen bleibt von Krainer unbeantwortet, stattdessen lässt er die ihn umgebenden, wild gestikulierenden Hindernisse von seinen Kollegen zur Seite zerren, betritt den ersten Operationssaal, sieht das panische Heben der in Gummihandschuhen steckenden Hände, sieht einen älteren weißhäutigen Mann mit offenem Rücken auf dem Operationstisch liegen, wechselt in den Operationssaal daneben und findet dort, ebenfalls mit geöffnetem Rücken, den gesuchten Jungen Noah.
»Weitermachen!«, brüllt Josef Krainer dem medizinischen Personal entgegen, auch weil er weiß: Jedes Eingreifen ist zu spät. Nur mehr umadjustieren kann er sich und aus dem Hintergrund beobachten, wie eine aus Noahs Körper entnommene Niere in den Nebenraum gebracht, implantiert und anschließend die Öffnung versorgt und zugenäht wird.
Schwer fällt es ihm, sowohl während der Operation als auch der anschließenden kurzen Verhöre Contenance zu bewahren, denn keiner soll den Verdacht schöpfen, es ginge hier möglicherweise um etwas anderes als um die Verhaftung des gesuchten Attentäters und Kunsträubers Noah. Von nun an, so erklärt Krainer, steht der Patient, egal, wo er liegt, 24 Stunden unter Polizeischutz.
Personaldaten werden jedenfalls alle aufgenommen, auch von den im Wohnzimmer wartenden, sich heftig sträubenden Angehörigen des Organempfängers.
Laut Aussage des Operateurs Dr. Lorenz soll die Organspende des jungen Mannes ein freiwilliger Akt gewesen sein, was Krainer gar nicht weiter kommentiert, denn was mit Dr. Lorenz zu
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