Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
wie auch schon die Tage zuvor, nämlich noch ein zweiter Verrückter unterwegs.
Unbeirrt vom Wetter war Rudi Szepansky, ausgerüstet wie immer, zwecks Schwimmens hinein in die Fluten aufgebrochen. Grund zur Sorge gab es aber bisher nicht. Rudi Szepansky hatte seine Flossen, seine Taucherbrille, seinen Schnorchel und sozusagen die linke Meereshälfte zur Verfügung, der Surfer sein Brettel, das Segel und die rechte Meereshälfte.
Und genau diese unabgesprochene Revierzuordnung ändert sich nun zusehends. Deutlich sichtbar, zumindest für die Besucher der Frühstücksterrasse, ragt weit außerhalb der Nichtschwimmerzone der Szepansky-Schädel aus dem Wasser. Für den Surfer allerdings dürfte sich die Sachlage etwas anders darstellen. So ein Segel vor der Nase zu haben ist in puncto Sichtfeld offenbar eine durchaus erhebliche Einschränkung. Ja, und so ein Surfbrett ungespitzt an die Birne zu bekommen, ist ein Todesurteil.
Was also braucht ein Diätvorhaben mehr? Da unterbricht nun selbst der ausgehungertste Gast sein Morgenmahl, denn auf der ansonsten gottverlassenen Wasseroberfläche verringert sich der Abstand zwischen den zwei einzigen zwecks Karambolage zur Verfügung stehenden Objekten mit jeder Richtungsänderung des Surfers bedenklich.
»Um Gottes willen!«, hält es den Metzger und seine Danjela nun nicht mehr auf ihren Sesseln. Unten am Strand stürmen die wenigen Badegäste zum Ufer, brüllen mit erhobenen Armen. Auch der Surfer hebt mittlerweile einen solchen, allerdings nicht, um zu winken. Mit einer Hand hält er das Segel, mit der anderen deutet er in Richtung Szepansky.
Mucksmäuschenstill ist es im Restaurant. Kameras werden vor die Augen genommen, die Zoomfähigkeit der entsprechenden Optik bis aufs Äußerste ausgereizt, schließlich bricht ein Gast das Schweigen: »Santa Maria, ha una pistola!«
Wie aus derselben geschossen folgt von anderer Seite die Übersetzung. »Der hat ne, ne, ne … Verdammt, der hat ne Knarre in der Hand!«
Erneut tritt Stille ein, entsetzt wird hinaus aufs Meer geblickt. Der Surfer reduziert kurz die Geschwindigkeit, irgendetwas scheint er Szepansky sagen zu wollen, dann nimmt er Tempo auf.
So auch Rudi Szepansky. Schlagartig ändert er die Richtung und schwimmt um sein Leben. In hoher Frequenz drehen sich seine Arme wie Mühlräder durchs Wasser, nur ein Ziel vor Augen: den Strand.
Die ersten Anfeuerungsrufe durchbrechen die atemlose Stille, doch vergeblich. Wie ein Raubtier umkreist der Täter seine Beute, verringert immer wieder den Abstand, schrammt zweimal, denkbar knapp, am Szepansky-Schädel vorbei und rast schließlich davon, unaufhaltbar.
Zeitgleich verlieren zwei Arme an Kraft, sinken ins Wasser. Rudi Szepansky schwimmt nicht mehr.
Willibald Adrian Metzger, Danjela Djurkovic, so wie auch ein Teil der Frühstücksgäste, stürmen zum Strand hinunter. Auch aus den umliegenden Hotels scheint das Schauspiel Zuschauer an den Strand zu locken, und wenn er sich nicht täuscht, der Metzger, gleicht eine der Staturen, die da in großer Entfernung inmitten einer am Strand stehenden Gruppe auszumachen ist, dem Wuchs des Hans-Peter Weibl.
Menschen waten bis zu den Knien ins Meer, Mobile- und Smartphones wandern an die Ohren, erneut Fotoapparate vor die Augen, ins Wasser allerdings schmeißt sich keiner.
»Glaub ich, ist fotografieren ein bisserl Hilfe zu wenig!«, brüllt Danjela, packt ihren Willibald am Arm, deutet ein Stück entfernt ans Ufer, und dann absolvieren die beiden den notwendigen 100-Meter-Sprint.
Völlig außer Atem erfolgt danach ein Kraftakt, den nun auch einige der Zuschauer in die Kategorie »Gute Idee« einordnen und ebenfalls loshetzen.
»Und jetzt gibst du Gas!«, befiehlt Danjela, da wurde das zum Rettungsboot zweckentfremdete Gefährt bereits das kurze Stück ins Wasser gezogen. Und sosehr der Metzger nun auch in die Pedale steigt, scheint es ihm, als käme er, ganz im Gegensatz zum kürzlich benutzten Vierrad, nicht vom Fleck. Heftig klatschen die Wellen gegen den Glasfaserkunststoff, unruhig schaukelt das Schiff samt gelber Rutsche und den beiden als Motoren arbeitenden Passagieren.
»Sag, bin ich Einzige hier, was tretet?«, steht Danjela mittlerweile der Schweiß auf der Stirn, und auch dem Metzger brennen auf dieser seiner Jungfernfahrt die Oberschenkel in bisher ungeahntem Ausmaß. Derart ausgesetzt auf hoher See, fällt jedes Kilo zu viel, jede Trainingseinheit zu wenig ins Gewicht. Das Wollen ist ungebrochen, das Können
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