Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
allerdings gibt zusehends w.o. Und gut ist das in diesem Fall. Denn so ein w.o. im Sinne von »walk over« bedeutet nichts anderes, als dass nach Aufgabe aller anderen der letzte verbleibende Teilnehmer nur mehr über die Ziellinie marschieren muss, sprich »walk over the line«, um das Rennen beenden zu können. Wer seinem Mitstreiter ein Walkover ermöglicht, hat somit w.o. gegeben, dazu allerdings braucht es Mitstreiter, und dass es diese gibt, ist allein Danjela Djurkovic zu verdanken. Zügig überholen zwei von deutlich schmächtigeren Menschenkindern besetzte Tretboote das marode gewordene Führungsschiff und nähern sich ohne Temporeduktion dem regungslos im Meer treibenden Szepansky-Körper.
Zumindest so nahe strampeln Willibald und Danjela hinterher, um erkennen zu können, dass dieser nicht in Bauchlage mit leerem Blick in die Tiefen der Adria, sondern am Rücken mit müdem Blick gen Himmel im Wasser liegt.
Unter dem Jubel der Zuschauermenge wird Rudi Szepansky dann auf das erste der eintreffenden Boote geladen. Jubel deshalb, weil die Kräfte des Verletzten zumindest so weit reichen, um sich bei seiner Bordbesteigung selbst aktiv an der Edelstahlreling hochzuziehen.
»Jo, halleluja, vielleicht wors jo nur a Spritzpistoin. Jetzta brauch ich donn an ornlichen Schnops, des konnst ma glaubn!«, bringt die Dame in ihrem blau-weiß karierten Bikini die erleichterte Grundstimmung der Zuschauer auf den Punkt.
Zurück am Ufer allerdings, ist es keine kleine aus Blut und Salzwasser zusammengesetzte Lache, die der Szepansky-Schädel da auf dem weißen, rutschfesten Bodenbelag des Bootes verursacht hat. Das Brett des Surfers dürfte ihn also erwischt haben. Zwar nicht tief, dank seiner Längenausdehnung aber unübersehbar ist der über das Hinterhaupt verlaufende Riss.
Rudi Szepansky liegt immer noch. Immer enger wird dabei die Kreisaufstellung der mittlerweile reichlich vorhandenen Schaulustigen. »Mit ein paar Stichen ist das wieder zu!«, scheint es einem davon an handwerklicher Erfahrung nicht zu mangeln.
»Wenn er vorher net abkratzt vor lauter Glotzerei!« Kreidebleich und alles andere als freundlich ist der Blick des mittlerweile aufgetauchten Gustav Eichner. Unsanft durchbricht er den Riegel: »Kruzitürken, wollt’s, dass er dastickt, jetz wo er net dasoffen is, verdammt noch mal. Die Show is vorbei.«
Das wirkt. Schlagartig löst sich die Versammlung auf, auch Hans-Peter Weibl dürfte sich wieder in Richtung Campingplatz zurückgezogen haben. Nur ein paar hartnäckige Beobachter verharren gespannt der Dinge, die noch kommen. Danjela hingegen hält ganz ihrem Naturell entsprechend vom Warten nichts. Direttissima steuert sie auf Rudi und den sich über ihn beugenden Gustav Eichner zu. Nur ein fester Griff um ihren Oberarm verhindert den garantiert unerwünschten Hilfseinsatz:
»Hast du nicht gehört!«, zischt ihr der Metzger zu. »Wir sollen gehen. Und genau das tun wir auch. Das ist kein Spiel, glaub mir!«
Verwundert ist ihr Blick, ernst der des Restaurators. Dann nimmt er ihre Hand, zieht sie zu sich, legt eine Kehrtwendung hin, wartet kurz und wendet sich erneut, allerdings nur mit gespitzten Ohren dem äußerst günstig stehenden Wind zu. Rudi Szepansky hat sich mittlerweile aufgesetzt und presst sich ein Handtuch an den Kopf: »Justav, verdammt, wat war det jerade? Kannste mir mal erklären, wat wir jewaltig Wertvolles jeladen haben für det scheiß Museum, det mir hier jemand vor aller Aujen beinah zur Boulette verarbeitet? Sind doch nur zwee Skulpturen, die wir dem Maier überjeben sollen, oder seh ick det falsch? Und warum überhaupt erst in drei Tajen, verdammt, ick will det loswerden, bevor mir jemand abmurkst.«
»Scheiße, Rudi, der, der wollt dich umlegen. Keine Ahnung. ich kapier das nicht! Wir müss…!«
»Der wollt mir jarantiert nich umlejen, det wär ihm nämlich locker jelungen, hätt er nur abdrücken müssen! Det war ne Warnung, verstehste? Nur wovor?«
»Nein, versteh ich nicht, versteh ich alles nicht. Auch nicht, warum du Pfosten kurz vor unserer Abfahrt noch schwimmen gehen musst. Ich hab dich schon überall gesucht, wir sollten von hier verduften.«
»Bist du bitte ein bisserl liebevoller, bin ich nix Schlachtvieh!«, kommentiert Danjela den nun überraschend ungestümen Aufbruch ihres Willibald. Fest umklammert er ihre Hand und zieht sie Richtung Hotel.
Da braucht er keine Irene Moritz mehr, um die Frage nach möglich vorhandenen kriminellen Neigungen dieser beiden
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