Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
gesprächiger Kerl. Irgendwie kommt es dem Metzger so vor, der junge Jamal sei direkt froh darüber, für einen Moment in den Augen seines Gegenübers mehr zu werden als der oft nur störende Händler. Und diesbezüglich versetzt es den Restaurator in Erstaunen, denn Jamal entpuppt sich als Sprachstudent, der im unifreien Sommer hier sozusagen als Zubrot seine Kilometer abspult.
»20 Euro«, erklärt der Metzger schließlich, zückt zweimal die in rosarot gehaltene Verbildlichung der Stilepoche Romantik, wackelt auffordernd mit den beiden Scheinen und erklärt:
»10 Euro für den Hut, 10 Euro für zwei Auskünfte.«
»Kein Problem.«
»Also, was wissen Sie über Ihren Kollegen Pepe, außer dass er tot ist? Und gibt es unter den Strandhändlern einen 17-jährigen Jungen, der Noah heißt?«
»40 Euro«, wird erwidert.
»20«, bleibt der Metzger stur.
»30«, lautet der Konter.
»Maximal 25, aber nur, wenn Sie auch wirklich etwas zu erzählen haben.« Und das hat er. So ist nun als Erstes zu erfahren, dass hier Senegalesen, wie Noah, Demba und Pepe welche sind, mit ähnlicher Ware unterwegs sind und folglich von Marokkanern, wie Jamal einer ist, nicht als Kollegen, sondern Konkurrenten betrachtet werden. Was nicht bedeutet, man kenne einander nicht. Es gibt also einen Noah, 17, unter den Senegalesen, der Uhren und Schmuck verkauft. Was Pepe betrifft, weiß man nur, dass der heimlich auch Drogen an die Touristen verscherbelt hat und ein Einzelgänger war. Was sich für Jamal aber insofern leicht erklären lässt, da viele hier ohnedies nur auf die Gelegenheit warten und jedes zur Verfügung stehende Mittel nutzen, auch kriminelle, um endlich wegzukommen – womit auch für Jamal das Stichwort fällt.
»Aufpassen auf Taschendiebe!«, beendet er seine Ausführungen, worauf der Metzger erklärt: »Und Sie berauben mich hochoffiziell!«, dem jungen Mann 25 Euro in die Hände drückt und somit gar nicht auf die Idee kommen braucht, Danjela zu erzählen, was er sich für diesen Hut aus der Tasche hat ziehen lassen. Ganz abgesehen davon weht ihm hier mittlerweile ohnedies reichlich der Wind um die Ohren. Leider aus der falschen Richtung. So trägt die auffrischende Brise den Inhalt des Wortwechsels zwischen Gustav Eichner, Rudi Szepansky und Angela Sahlbruckner ein paar Reihen weiter vor hinaus aufs Meer. Was den Metzger natürlich nicht daran hindert, einen Lauschangriff zu starten. Ist ja auch wirklich nichts dabei, ein paar Meter neben Angela, die mit ihrem Kind ans Meer marschiert ist und im knöcheltiefen Wasser inbrünstig telefoniert, Aufstellung zu nehmen und sich mit dem neuen Hut in der Hand formhalber der Muschelsuche zu widmen – mit entsprechender Ausbeute, denn Angela telefoniert lange, einmal mit dem, einmal mit jenem, einmal ein: »Ja, Dr. Lorenz, alles bestens«, dann ein: »Nein, Dr. Lorenz, Sie können sich auf mich verlassen. Dienstag, 18 Uhr vor der Praxis«, einige Zeit später ein: »Ja, Papa. Dienstagabend«, gefolgt von: »Ich hab an sich genug abgepumpt und eingefroren, wenn nicht, nehmt das Pulver!«, später ein: »Gib sie mir mal!«, schließlich ein: »Hallo, mein Engel, Mama ist da. Ja, ich bin bald zu Hause. Ich bring was mit, versprochen. Ich hab dich lieb.«
Ein Weilchen bleibt Angela Sahlbruckner noch im Wasser stehen, streicht sanft über den Rücken ihres an der Brust schlafenden Babys. Müde, gerädert, leer wirkt sie, was kein Wunder ist, wenn es, wie dem Telefonat zu entnehmen war, tatsächlich zwei Kinder gibt, die noch von ihr gestillt werden. Das zehrt an den Kräften.
Dann kehrt sie zu ihrem Platz zurück. Der Metzger hingegen bleibt noch, erweitert den Radius seiner Muschelsuche, füllt den Hut und sein Gedächtnis. Und auch, wenn ihm völlig klar ist, in welchem Land er sich befindet, es kommt ihm das meiste hier mittlerweile doch nur noch spanisch vor.
Mit beinah dem altgewohnten südländischen Temperament begrüßt ihn im Zimmer dann auch Danjela.
»Oh, Partnerlook, darf ich lesen dahinter versteckte Botschaft?«, bedankt sie sich für den Hut, zum Glück ohne Fragen zum Haushaltsbudget, und kündigt für den nächsten Tag den so lang erhofften paarweisen Auftritt an.
Nur daraus wird nichts.
Was dem Metzger untertags nämlich noch als angenehme Brise erschienen war, entwickelt sich in der Nacht zu einem gewaltigen Kopfschmerz. Länger im Zug zu sitzen, scheint ihn also nur abreisetechnisch beglücken zu können. Danjela hingegen ist wieder fit, was dem
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