Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
mit heftiger Migräne die Finsternis des Zimmers suchenden Willibald insofern etwas ungelegen kommt, da sich die weibliche Genesung in einem erhöhten Sprechbedürfnis zum Ausdruck bringt. So also ändert sich etwas die Sachlage, denn die Stube hütet nun das Männchen, vor die Tür und hinaus in die freie Wildbahn komplimentiert wird das Weibchen.
Folglich kommt Eva-Carola Würtmann in den Genuss des Mitteilungsdranges der wieder erstarkten Danjela und die weniger windempfindliche Danjela in den Genuss zumindest eines Sonnentages an der Seite eines dankbaren Menschen. Frau Würtmann also freut sich über die Gesellschaft, auch über die ihrer Tochter: »Schau, Dolly, darf ich vorstellen, das ist die liebe Danjela, die mir so hilfsbereit beigestanden hat, wie, wie, wie mein Tino, mein … Du hast ja arbeiten müssen!« Sie wundert sich zwar über die prompte Kehrtwendung des eigen Fleisch und Blut, freut sich aber wiederum über das Kompliment: »Mein Güte, ist dir geschnitten Tochter wie aus Gesicht, so schöne junge Frau«, und schüttet folglich das gekränkte Mutterherz aus, erzählt, wie schlimm das sei, extra auf Besuch zu kommen, Geld zu investieren, einen großen Verlust zu erleiden und dann mehr oder minder von der Tochter, für die man ein Leben lang so viel getan, ja aufgegeben habe, links liegengelassen zu werden.
»Und Rudi und Gustav gehen, seit ihnen diese Trutschen Angela Sahlbruckner mit ihrem Baby und ihren Brüsten vor der Nase herumwackelt, sowieso an mir vorbei, als wär ich Luft!«
An Danjela aber gehen die beiden an diesem Tag nicht vorbei, ganz im Gegenteil. Rudi Szepansky nimmt sogar kurz neben ihr in einem leeren Liegestuhl Platz und zeigt sich richtig interessiert: »Jeht’s schon wieder jut, det is fein. Ick hab den Eindruck, der Jötterjatte, der Herr Djurkovic, det is ’n netter Kerl, und so fürsorglich. Wo is der eijentlich? Aha, Metzger heeßt er. Biste also jar nüsch verheiratet? Ooch jut, kommt die Scheidung billijer. Wat macht der Jeliebte eijentlich beruflich?
Restaurator! Jewaltig. Mit ner eijene Werkstatt sojar.
Jewölbekeller, schön! Wo? Wirklich! In der Jegend bin ick jelejentlich zu Besuch. Und, wann jeht’s wieder nach Hause?
Morjen, so wie bei mir. Ach so, abends, na dann haste noch ’n janzen Tag …«
Und zu erzählen hat sie viel, die heute so redselige Danjela.
Der Engel und das Universum
Das hat ein letzter Tag im Urlaubsdomizil zumeist so an sich: Der Urlaub bäumt sich noch einmal auf, zeigt sich von der besten Seite, kündigt so auf schmerzhafte Weise den Wiedereintritt in die wartende Arbeitswelt an, und, was das Schlimmste ist, er festigt die neu entstandenen Sozialkontakte, oder noch schlimmer, er bringt sie erst. Und gerade Letzteres ist keine Seltenheit, weiß Dolly Poppe: Da hocken die Gäste eine Woche lang begegnungsbedürftig in der Fremde, bleiben bis auf ein paar oberflächliche Zwiesprachen erfolglos, und dann, wenn bereits sowohl in puncto Erfolgswahrscheinlichkeit als auch Abreisenotwendigkeit die Klarheit herrscht, man könne einpacken, steht das Erhoffte plötzlich vor der Tür, finden Kinder endlich Spielgefährten, finden Jugendliche und Erwachsene Freund-, Liebschaften. Und brutal ist das, denn in der Anfangsphase einer solchen Begegnung bleiben sie eben noch schön im Verborgenen, die möglichen Schattenseiten, da regiert die Verzauberung, die Blauäugigkeit.
Der Abreisetag wird also zum Trauerspiel.
Tragödien hat Dolly diesbezüglich schon erlebt, Heulkrämpfe in der Hotellobby, und schließlich beobachtet, wie die am Urlaubsort Verweilenden bereits am nächsten Tag Ersatz finden, oft auch, was die Waagrechte betrifft. Gewiss, sie selbst kann als Betroffene ebenso von derartigen Abenteuern erzählen, große Dramen, die Folgen der Affäre mit Animateur Jürgen Schmidts einmal ausgenommen, sind ihr bis jetzt allerdings erspart geblieben. Wie gesagt: bis jetzt.
War sie Wirklichkeit, die letzte und zugleich auch letzte gemeinsame Nacht? Ist es möglich, dass ein Mann so viel Zärtlichkeit, so viel Wärme zusammenbringt, so viel Uneigennutz an den Tag legt, nur darauf bedacht, die Sehnsucht des anderen zu stillen. Sie waren im Anschluss an den ersten Kuss vor drei Tagen an der Strandbar nicht gleich übereinander hergefallen. Er ließ die Zeit danach kein Drängen erkennen, zeigte sich daran interessiert, verstehen zu lernen, wie Dolly das alles macht mit dem Blutzuckermessen, dem Broteinheitenbestimmen, dem Insulinzuführen,
Weitere Kostenlose Bücher