Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
des stinkreichen Zahnarztgatten seiner Ex-Frau bewohnen und würden sie wenigstens gelegentlich bei ihm vorbeisehen oder sich abholen lassen. Ungefragt und unmündig zu Waffen im Beziehungskrieg missbrauchte Kinder richten sich eines Tages gegen den oder die Schützen selbst, da ist sich Petar Wollnar sicher, zumindest das tröstet seine gelegentlich aufkeimende Sehnsucht, Wut und Verzweiflung.
Die nur so aus Danjelas Mund sprudelnde Verzweiflung allerdings lässt sich aktuell gar nicht trösten, da kann sie die Geschichte mit Dolly noch dreimal wiederkäuen. Im mittlerweile vor dem Wohnhaus eingeparkten Pritschenwagen drohen bereits die Scheiben zu beschlagen, so geduldig wurde ihr von ihren beiden Verehrern Gehör geschenkt. Nun aber ergreift der Metzger das Machtwort:
»Lass es gut sein, Danjela. Du hast es ihr erklärt, du hast dich entschuldigt, sie durfte dich während der Fahrt näher kennenlernen. Wenn sie wirklich so ein gutes Herz hat, wie es dieser Szepansky in ihren Augen gesehen haben will, dann erkennt sie spätestens morgen hinter der SMS, die du ihrer Mutter geschickt hast, und zwar noch bevor ihr beide überhaupt ein Wort gewechselt habt, nicht den Verrat, sondern deine gutgemeinte Absicht. Und wenn sie das nicht erkennt, dann ist sie meiner Meinung nach menschlich sowieso unter ›ferner liefen‹. So, und jetzt steigen wir aus, auch Petar hat ein Recht auf Sonntag.«
»Nach dem Frühstück«, erklärt Petar Wollnar.
Was darauf folgt, ist der wortlose Ausdruck reinster Wiedersehensfreude und Zuneigung. Prall gedeckt ist der Esszimmertisch im ebenerdigen Domizil des Hausmeisters.
»Schwarzbrot!«, kehrt die Entspannung zurück in Danjelas Gesicht, und dann wird gegessen, bis die Mägen voll sind, und geplaudert wird natürlich auch, mal von Aug zu Aug, mal von Mund zum Mobiltelefon, denn alle Mittäter melden sich: Halbschwester Sophie Widhalm, Toni Schuster, Trixi Matuschek-Pospischill, sogar die kleine Lilli gluckst ins Telefon: »Komm, Lillimaus, jetzt sag schon hallo zur Tante Danjela und dem Onkel Willibald.«
Einzig Irene Moritz hat der Metzger erst später in der Leitung. Und er wird sie selbst kontaktieren, heilfroh, zuvor noch ein unbeschwertes Schläfchen eingelegt zu haben, denn die Sorglosigkeit legt zukünftig ein kleines Päuschen ein.
M & M’s
Nein, Josef Krainer ist kein romantischer Mensch, das würde er von sich selbst nie behaupten. Weiters ist er weder gutgläubig noch ein Fantast, hat keinen Kredit laufen, auch sonst keine Schulden, investiert nur, wenn er es sich auch leisten kann oder wenn es sich rentiert, auch im menschlichen Sinn, weiß nicht, ob er überhaupt schon einmal in seinem Leben das war, was andere verliebt nennen, raucht nicht, trinkt nicht und versteht unter Loyalität einzig den Gehorsam seinen eigenen Prinzipien gegenüber.
Trotz allem hat er eine Schwäche, so als wollte er kurz durch ein Nadelöhr sich selbst entwischen und beweisen, welch romantische, waghalsige, stets ans große Glück glaubende Natur doch in ihm steckt. Josef Krainer spielt Lotto.
Wobei natürlich die Waghalsigkeit des Lottos in etwa so groß ist, als würde man erhobenen Hauptes in der freien Wildbahn Aufstellung nehmen, um sich zwecks frühzeitigen Ablebens von einem Meteoriten erschlagen zu lassen. Ebenso groß ist die Wahrscheinlichkeit, bei einer Ziehung den Jackpot zu knacken. Der Grund, warum Josef Krainer seit neuestem allerdings wie ein Besessener keinen Durchgang, vor allem der Euromillion, auslässt, ist sein mittlerweile zwölf Monate alter Golf BlueMotion, sprich seine ersten fünf Richtigen. Gefreut hat er sich wie noch nie zuvor in seinem Leben, und ja, vielleicht, so glaubt er seither, fühlt es sich auch in etwa so an, das Verliebtsein.
Jedenfalls ist sich Josef Krainer seither sicher, am Beginn einer Glückssträhne zu stehen. Und heute, heute Morgen, hat bei ihm so ein Himmelstrabant eingeschlagen. Zwar nicht im lottotechnischen Sinn, aber Geld ist ja nicht alles im Leben, und in puncto Genugtuung, in puncto Gewinn und Lebensglück fühlt sich dieser Treffer an, als hätte er sechs Richtige plus Zusatzzahl.
»Schulze, es ist Sonntagabend …
–
Nein, ich hab Ihre Nummer nicht wieder eingespeichert, ich erkenn Sie an der Vorwahl. Trotzdem drück ich nicht auf ›Anruf abweisen‹, sondern ›annehmen‹, was sagen Sie dazu, ist doch nett von mir, oder?
Und, schon den zuständigen Minister gesprochen, der übrigens eine Innenministerin ist? Haben Sie ihr
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