Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
gemeint, aber saudumm, Dolly …«
Mittlerweile hat Dolores Poppe den Bahnsteig betreten, auch Danjela stürmt aus dem Waggon, »… Dolly, bitte wartest du, tut mir ja so leid!«
Dann fängt Dolly, ihr schweres Gepäck geschultert, vorbei an einem Herrn mit wild an der Leine zerrendem Hund, zu laufen an, mit Tränen der Wut im Gesicht und dem Wissen im Hinterkopf, dass ihre Mutter Eva-Carola Würtmann laut SMS den Urlaub eine Woche früher abgebrochen hat, bereits um acht Uhr morgens mit ihrem alten Mazda in Richtung Vaterland aufgebrochen ist und bei einer unfallfreien Fahrzeit in maximal sieben Stunden zu Hause auf der Matte stehen wird. Aus ihrer jetzigen so verletzten, emotionalen Sicht bleiben Dolly nur drei Perspektiven: Entweder sie besorgt sich einen Vorderlader, setzt sich daheim ins Wohnzimmer auf den Sofasessel und wartet auf die Ankunft der werten Frau Mama, oder sie ruft umgehend zwecks Abholung, Gratistherapiestunde und Notquartier ihre Freundin Irmgard an, oder sie benutzt Rudis als geheim definierte Telefonnummer und nimmt sich seine Notiz zu Herzen: »Ich meld mich die nächsten Tage. Keinesfalls vorher anrufen – außer natürlich, es passiert dir was!«
Und passiert ist ihr gerade etwas.
Irgendjemand will ihr einreden, Rudi sei mit Vorsicht zu genießen. Völliger Schwachsinn, und meine Güte, nichts kann falsch daran sein, ihm zumindest eine Kurzmitteilung zukommen zu lassen.
Danjela muss zwecks Abholung niemanden anrufen, denn mit erstauntem Blick steht wie vereinbart Hausmeister Petar Wollnar am Bahnsteig, sieht verdutzt der vorbeilaufenden weinenden jungen Dame ins Gesicht und kann sich gegen die auf ihn ausgeübte Zugkraft kaum wehren. Heftig zerrt Edgar an der Leine, nur noch ein Ziel vor Augen.
Er ist ja ohnedies nicht der Mann vieler Worte. Die Betrachtung der ziemlich verloren neben dem Zug stehenden Danjela und des sich kurz darauf im Prinzip so blass wie eh und je aus dem Waggon herausschälenden Willibald lassen sogar die Anstandsfrage »Wie war der Urlaub?« obsolet werden.
Endlich nimmt ihn Danjela wahr, nickt ihm zu, was offenbar bedeuten soll: »Lass ihn laufen!«, und breitet dem auf sie zustürmenden Edgar dermaßen weit die Arme aus, da würde sich ein ganzes Rudel gut aufgefangen wissen.
Dann lässt auch die zugegeben doch vorhandene Anspannung Petar Wollnars nach, denn Willibald Adrian Metzger scheint ihm seine Beihilfe zur Entführung und das nächtliche Lenken des Fluchtfahrzeuges nicht mehr übel zu nehmen. Herzlich kommt er auf ihn zu, umfasst mit festem Griff seine Hand, flüstert: »Du Gauner!«, und klopft ihm in fast brüderlicher Verbundenheit auf die Schulter. Alles ist gut, Petar Wollnar fällt ein Stein vom Herzen. Er hat eben nur einen wahren Freund, und er hat ihn immer noch – wunderbarerweise auch, seit sich dessen Leben völlig verändert hat. Das kann nämlich selbst für eine noch so tief verwurzelte Männerfreundschaft den Untergang bedeuten, wenn eines Tages bei einem der beiden Herren ein Frauenherz zuerst im Herzen und schließlich dieses Frauenzimmer auch im Zimmer, sprich dem gesamten Single-Haushalt, Einzug findet. Ein seelisches Wrack war Petar Wollnar also, wie eines Tages im obersten Stockwerk des von ihm gepflegten Altbaus das Türschild von »Metzger« auf »Metzger & Djurkovic« geändert wurde. Richtig zelebriert hat er ihn, mit Wodka, mit mehrtägiger Unterlassung der Körperpflege und Rasur, den Abschiedsschmerz von all den wunderbaren, end- und vor allem so angenehm wortlosen gemeinsamen Abenden zu zweit. Abende, die zumeist daraus resultierten, dass Petar Wollnar absichtlich während des Abhaltens seiner beachtlichen Kochkünste die Tür seiner Wohnung sperrangelweit geöffnet hielt, damit der Duft so lange von der seinen bis hinauf in die Metzgerwohnung wandern konnte, bis der Metzger höchstpersönlich dies in die Gegenrichtung tat.
Alles für Arsch und Friedrich, keine einzige seiner Ängste hat sich bisher bewahrheitet. Danjela Djurkovic ist nicht nur für ihren Willibald ein Prachtweib, sondern im menschlichen Sinn auch für Petar Wollnar. Aus dem Einsiedler Metzger ist also dank ihr, ihrer Offenheit und dank der vielen seither in sein Leben getretenen Menschen in gewisser Weise ein Familienmensch geworden, wenn auch einer ohne eigene Familie. Dasselbe gilt für Petar Wollnar, mit dem gravierenden Unterschied, dass Petar Wollnar im Prinzip ja eine eigene Familie hätte, würden seine Kinder nicht seit langem die Villa
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