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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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ihr auf dem Platz die Männer eh nur auf den Arsch und auf die Titten schaun. So oft hab ich als Kellnerin mitansehn müssen, wie …“
    „Is schon gut, is schon gut“, ertönt es aus dem Hintergrund. „Der Metzger hat jetzt andere Sorgen, gib schon her den Hörer.“
    Und während Trixi Matuschek-Pospischill lautstark deftige Kommentare über diese Unverfrorenheit ihres Mannes und schließlich über ihren Mann selbst in die Welt posaunt, versucht sich der Kommissar, inzwischen Besitzer des Hörers, ebenso lautstark dem Metzger verständlich zu machen.
    „Geht’s schon so halbwegs, brauchst du was, wo bist du?“
    „In der Wohnung von der Danjela.“
    „Wir haben aber leider noch nicht viel herausgefunden.“
    „Ich schon! Die Danjela war an diesem Abend bei einem Treffen des Kicker-Saurias-Fanklubs. In der Alten Mühle. Schau dir das an!“
    „Werd da gleich einmal hinschaun. Ich meld mich, bis dann“, brüllt der Pospischill, und während der Hörer die Gabel anpeilt, hört der Metzger noch ein „Trixi, ich muss noch mal weg“ und denkt sich: „Wird er ganz schön froh sein, der Kommissar.“
    Der Kommissar schon, nicht aber der Metzger, denn das Noch-mal-weg-Müssen gilt auch für ihn.

14
    Dass es so schwer wird, hätte sie sich nicht gedacht. Lange hat sie ihr folgen müssen, um den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, es sollte ja möglichst authentisch wirken. Aber trotz all der Anstrengung und Überwindung war sie sich dann erst nicht sicher, ob ihre Unternehmungen auch wirklich zum Ziel geführt haben. Frauen sind einfach zäher, genau darum ist auch sie noch am Leben. Diesmal war sie eindeutig zu wenig gelassen gewesen, um es absolut sicher zu Ende zu bringen, diesmal hatte sie nachgedacht, diesmal hatte sie ein wenig sich selbst gesehen. Irgendwann war sie dann dagewesen, die Angst, und sie musste verschwinden.
    Es ist zumeist das weibliche Geschlecht, das länger ausharrt, mehr erträgt und dabei längst über Dinge Bescheid weiß, da tappen die Männer noch hoffnungslos im Dunkeln, glauben an die Unwissenheit ihrer daheim hockenden Frauen und ihre daraus resultierende Narrenfreiheit. Eine Freiheit, mit der der Mann die Frau zum Narren hält und sich selbst zum Narren macht. Nicht immer geht es dabei um körperlichen Betrug, dem wird sowieso viel zu viel Bedeutung beigemessen, sondern viel öfter um den Betrug des Vertrauens im eigentlichen Sinn. Etwas tun im Schatten der Wahrheit, in den Lücken des Alltäglichen, zwischen den Zeilen – nur ist das weibliche Auge gerade im Entziffern dieser unsichtbaren Schriftzüge ein Großmeister, selbst wenn da gar nichts steht. Da geht der Mann offiziell ins Büro, trifft aber im harmlosesten Fall geheim seine Modelleisenbahnvereinskollegen, seine Modellbaufreunde oder seine Dominokameraden, und wenn er zu Weihnachten unterm Christbaum das Päckchen seiner Frau öffnet, eine neue Lok, den neuesten Bausatz oder ein Dominoday-Video in Händen hält, schaut er blöd. Obwohl das wahrlich Grund zur Freude wäre, denn Hintergangene können still und heimlich auch ganz anders, können einen auch ganz andere Dinge auspacken lassen.
    Enttäuschung ist wie eine Entrümpelung, befreit werden vom Trugbild des Alten – von der Last des Unbrauchbaren, des auf den Dachboden Gestellten und Stehengelassenen –, von Täuschung. Enttäuschung bedeutet, nicht mehr getäuscht sein.
    Weiß eine Frau mehr als sie soll, und kommt der Mann dahinter, bevor sie ihn hat was auspacken lassen, was äußerst selten der Fall ist, beschenkt er sie reichlich oder schenkt ihr reichlich ein. Zuckerbrot oder Peitsche, beides gemeinsam funktioniert ganz schlecht, jedes allein aber erzielt in manchen Fällen durchaus seine Wirkung. Solche Weiber verabscheut sie beide im selben Maß, die, die mit Reichtum überladen glücklich über den Vertrauensbruch hinwegsehen und bleiben wollen, und die, die aus Angst nur mehr die eigene Angst sehen und glauben, bleiben zu müssen, obwohl das genauso ein Wollen ist, ein viel heimtückischeres zwar, aber trotzdem, ein Wollen eben.
    Was mit dem Mord, der bis jetzt nicht gelungen ist, bezweckt werden soll, ist ihr völlig klar, genauso wie die Tatsache, dass die Frau, um die es sich handelt, wahrscheinlich noch auf nichts draufgekommen ist – darum geht es aber gar nicht. Nur um den Eingriff in die Privatsphäre geht es, um das Rauben des Lebensinhalts, der Energiequelle, und erst wenn die verschwunden sind, geht für den Zurückgebliebenen das Licht aus

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