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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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– darum geht es.

15
    Jetzt hat Edgar schon mehr Keks gefressen als sein Zufütterer und gibt trotzdem keine Ruhe, rennt immer wieder zur Tür, hockt sich zurückgekehrt kurz zum Küchentisch, wedelt mit dem Schwanz und schickt stoßweise Laute in Richtung der gegenwärtigen menschlichen Ohren, die ein unerfahrener Hundebesitzer als willkürliches Bellen, ein erfahrener jedoch als gezielte Information deuten würde.
    Der Metzger ist so was von unerfahren, dagegen ist ein ausschließlich Tiefkühlpommes zubereitender Gelegenheitspapa ein Meisterkoch, wirft erneut, getrieben von Sehnsucht nach Stille, ein Keks zum Boden und vergisst auf den Gebrauch seiner Logik.
    Denn zwischen „vorne rein“ und „hinten raus“ herrscht im Normalfall eine harmonische Balance. Ist dieses Gleichgewicht jedoch im Sinne von lang nichts „hinten raus“ und im Übermaß „vorne rein“ gestört, ähnlich der staatlichen Subventionen der Bundestheater, des öffentlichen Rundfunks und anderer parteinaher Organisationen, führt das zwangsweise zu Misstönen, in Edgars Fall mit durchaus üblem Aroma.
    Erst wie der inzwischen winselnde Mischling beim Küchentisch abermals eine Hockstellung einnimmt, nur diesmal aus ganz anderen Gründen, schaltet sich auch Willibalds Logik ein.
    Ein aus reinigungstechnischen Gründen dankenswertes Lackerl umschließt die rechte graue Socke des beim Küchentisch sitzenden Restaurators, der sich augenblicklich aus Panik einer drohenden Nachhut härterer Konsistenz der nassen Socke entledigt und in seine Schweinslederschuhe schlüpft, deren rechtes Exemplar nun erstmals von innen hautnah mit ihrem Dauerträger in Berührung kommt. Der Metzger begibt sich eiligen Schrittes mit dem ebenso dringend ausflugsbedürftigen Edgar aufs Trottoir und den Beginn eines längeren Rundgangs.
    Der Hund denkt nämlich gar nicht daran, das Erwünschte abzuliefern, sondern erfreut sich der ihm zuteil werdenden Bewegungseinheit. Was man vom Metzger, nach einem der schwärzesten Tage seines an schwarzen Tagen überbevölkerten Lebens, nicht behaupten kann. Glückskind ist er keins, der Willibald! Obwohl ihm der Zufall demnächst noch kräftig zu Hilfe eilen wird. Zufall, die Gerechtigkeit des Himmels, ganz im Gegenteil vom Schicksal, dem Plan des Himmels, und der muss ja nicht unbedingt gerecht sein.
    Der Metzger marschiert also los, immer der Leine nach, gedankenverloren, Edgar wird schon wissen, wann es soweit ist. Zielstrebig steuert der Hund der üblichen Routine folgend auf die Hundstrümmerlwiese, und hier erlebt nun der Metzger einen Vierbeineraufmarsch, als hätten sich deren Besitzer zu dieser späten Stunde verabredet. Von Reden aber keine Spur, zumindest was den verbalen zwischenmenschlichen Austausch angeht, denn von Mensch zu Hund wird schon ordentlich kommuniziert, vor allem von Mensch zum Hund eines jeweils anderen.
    Einem „Edgarli, hast du’s aber eilig!“ folgt von anderer Seite ein süßliches „Ja Edgar, gehen wir heute mit dem Herrli Gassi!“, kombiniert mit einem seitlich einwirkenden, noch süßeren „Du, du, du, na komm her, komm schon her zur Tante Berta, kriegst ein Guzi!“
    Wie soll ein Hund da scheißen können?
    Ganz abgesehen davon, dass nicht auch nur eine der Damen in der Nähe die Idee käme, dem Metzger einen Gruß, geschweige denn eine andere Form der Wahrnehmung zuteil werden zu lassen. Und während sich die Tiere freudig die Ehre erweisen und dabei dermaßen nahe kommen, dass die eine oder andere Nase kurzzeitig in einem fremden behaarten Hundearsch untertaucht, stehen sich deren Besitzer, mit auf die Tiere gerichteter Aufmerksamkeit, gegenüber und würdigen sich keines Blickes.
    Natürlich zögert der Metzger in Anbetracht dieser geballten Tierliebe und Menschenverachtung vorerst, mittels kurzen Rucks an der Leine den völlig unnötigen Begegnungen oder eigentlich Nichtbegegnungen frühzeitig ein Ende zu setzen, aber eben nur vorerst. Denn nach einem etwa 30-minütigen Lehrgang in „Wie scheiß ich auf meine Mitmenschen, während ich mein Viecherl zu diesem Zwecke ausführe“ zieht der Metzger die Konsequenzen, erweist sich als vortrefflicher Schüler, die Menschenverachtung ist ja ohnedies schon da, wovor soll er sich also fürchten, und schleift den immer wieder haltmachen wollenden Edgar energisch weiter, weg von der Wiese, dass es den Damen die Rede verschlägt.
    Mit dem Ärger im Bauch ist vorerst schneller Schritt angesagt, sehr zur Unfreude Edgars und Willibalds rechter

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