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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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„stattlichen Preises“ forderte, bis der Willibald schließlich die größtmöglich denkbare Summe von sich gab und damit weder Erstaunen noch Kritik auslöste, sondern die Bitte um die Bankverbindung für eine umgehende Überweisung.
    Otto Weinstadler wird erst von diesem monströsen Betrag erfahren, wenn der Tisch wenigstens notdürftig restauriert übergeben ist, beschloss der Metzger.

    Am Ende dieser Woche taucht nun der Wollnar vor der Werkstatt auf, zu Mittag, betätigt vor der großen Glasscheibe die krächzende Hupe und meint aus dem Fenster seines Pritschenwagens zum erstaunten Metzger:
    „Essenszeit!“
    Essenszeit als Kurzfassung für: Ich bin wieder gesund und würd dich gerne als kleines Dankeschön zum Essen ausführen. Was für den Wollnar, dem es an Geld ähnlich mangelt wie an Zuwendung, eine wirklich großzügige Geste darstellt.
    Der Willibald ist natürlich sowohl mit der tiefsinnigen Bedeutung dieses „Essenszeit“ vertraut als auch mit dem Wissen um Petar Wollnars finanzielle Situation, holt sein Jackett samt Edgar, sperrt die Werkstatt zu, setzt sich zum ungewöhnlich herausgeputzten Petar Wollnar ins Auto und meint: „Hinfahren kannst du uns, das Lokal aussuchen auch, aber zahlen Petar, zahlen werd ich mein Essen selber!“
    „Was ist das dann für Einladung?“, fragt der sonst so wortkarge Wollnar nüchtern.
    „Eine Einladung zum Beisammensein und miteinander Essen, was will man mehr“, antwortet der Metzger und spricht somit voraussichtlich die letzten Worte bis zur Nachspeise.
    Ruhig rattert der Diesel, während Petar Wollnar zielstrebig den Wagen lenkt. Auf dem Armaturenbrett liegt immer noch die Visitenkarte vom so anstößig durch den Pritschenwagen kontaktierten Herrenausstatter & Maßschneider Edgar Zadrolevsky.

38
    Nach diesem schweigsamen gemeinsamen Mahl nimmt der Metzger nach der Heimfahrt die Karte in die Hand und meint:
    „Hast du das schon geregelt, mit dem Blechschaden vom Zadrolevsky-Mercedes?“
    Der Wollnar schüttelt bedächtig den Kopf, mit einem Gesicht, als wäre sein Szegediner Gulasch drei Tage älter gewesen als das seines Gastes, denn gezahlt hat er, der Wollnar, bei seinem letzten Klogang, sehr zum Ärgernis des Willibald.
    „Ist unangenehm, kann ich mir vorstellen“, setzt dieser fort.
    „Lass uns doch gleich gemeinsam hinfahren, dann hast du’s hinter dir.“
    Jetzt könnte der Wollnar natürlich denken: Wahnsinn, was für ein selbstloser Freund, dieser Willibald Adrian. Wahrscheinlich denkt er das auch wirklich. Nur, so selbstlos ist dieser Freund gar nicht. Denn hinter dem vordergründig durchaus kameradschaftlichen Begleitangebot steckt hintergründig eine Absicht. Geistig abwesend, was die Danjela-Owuso-Angelegenheit betrifft, war der Metzger die vergangene Woche nämlich nicht gewesen. Mit dem Resultat, dass der einzige Hinweis, dem er nachgehen und der Neuigkeiten bringen könnte, ein Besuch der Villa Orchidee wäre, immerhin steht das ja direkt als Auftrag im Danjela-Timer. Und da die Blaha-Kreuzberger-Erfolgsmeldung vom Pospischill, der sich nun schon eine ganze Weile nicht mehr gerührt hat, bedenklicherweise immer noch ausbleibt, spürt der Willibald von Tag zu Tag verstärkt den Drang, schön langsam aktiv zu werden. Nur gerade dieses Aktivwerden im Hinblick auf das Etablissement Villa Orchidee macht ihm zu schaffen. Erstens aus moralischen Gründen, denn immerhin war er in seinen bald 45 Jahren noch kein einziges Mal Gast einer derartigen Niederlassung,
    zweitens aus Gründen der Aufregung, denn immerhin war er in seinen bald 45 Jahren noch kein einziges Mal Gast einer derartigen Niederlassung,
    und drittens aus gesellschaftlichen Motiven, denn immerhin …
    Weder weiß er, wie er sich dort zu verhalten oder nicht zu verhalten hat, ob es zwangsweise zu einer waagrechten Begegnung kommen muss, worüber geredet wird, wenn überhaupt geredet wird, und was der Spaß kostet, unabhängig davon, ob nun nicht, ob auch oder ob nur geredet wird. Dass er sich dort um nichts in der Welt in die Waagrechte begeben würde, steht für den Willibald außer Frage. Nur, was für den Willibald so außer Frage steht, ist anderen reichlich egal.
    Was nun diesen Abstecher zu Edgar Zadrolevsky betrifft, wäre die Behauptung der Selbstlosigkeit des Willibald Adrian insofern gelogen, weil er ja im Hinterkopf den Beruf des Zielobjekts, nämlich Herrenausstatter & Maßschneider, sitzen hat, der Metzger, genauso wie die Pospischill-Behauptung „Aber eines kann

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