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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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empfindet.
    Lieb ist sie zu ihm, tröstet ihn, beruhigt ihn und erklärt, dass bestimmt alles ins Lot kommt. Und das ist gar nicht gelogen, aus ihrer persönlichen Sicht.
    Dann schläft er ein, der Kreuzberger, wie ein kleines Kind in ihren Armen, als hätte er die letzte Woche kein Auge zugemacht. Er konnte immer schon bleiben, solang er wollte, genauso wie Kwabena Owuso.
    Kwabena Owuso blieb auch meistens bis zum Morgen, Stefan Kreuzberger allerdings ging immer gleich danach, da ließ ihm das schlechte Gewissen keine Ruhe. Ein Triumphzug für ihre Seele, ein Horrortrip für Jasmin Kreuzberger, die dazugehörige Ehefrau. Schreckensahnung ohne Wissen ist ein Springball des Teufels.
    Diesmal bleibt also auch Stefan Kreuzberger bis zum Morgen.
    Mit einem Lächeln erwacht er an ihrer Seite. Schon längst ist sie munter und bereit.

    Kurz vor dem Einschlafen hat sie ihm angeboten, zu helfen, wo sie nur könne, immerhin kenne sie ja Gott und die Welt.
    Gut, ihrem Verhältnis zu Gott stünden zwar unüberwindbare Differenzen im Weg, was jedoch ihr Verhältnis zur Welt betreffe, oder zu jenen, die die Welt gestalten, intimer könne es schon gar nicht mehr sein.
    Dazu sei aber eine schriftliche Erklärung von Nutzen, irgendetwas zum Weitergeben oder Unterschieben.
    Dann hat sie dem Stefan Kreuzberger diktiert, und der Kreuzberger, sprachlich dermaßen minderbemittelt, dass Journalisten nichts lieber tun als ihn zu interviewen, hat mit verheerenden Schreibfehlern geschrieben.
    Obwohl viel verheerender als diese Schreibschwäche sollte sich die Formatierung seines zweiseitigen oder eigentlich zweiblättrigen Briefes auswirken.
    Erstes Blatt, erste Seite:
    Dass ihm der Owuso-Tod so leid täte und dass er ihn immer bewundert habe, den Neger – ja, sie hat Neger diktiert, und der Kreuzberger hat es widerspruchslos hingeschrieben –, dass er neidig war, das wolle er gar nicht abstreiten, und dass es zwar schon zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre.
    Hier war es mit der Stefan-Kreuzberger-Widerspruchslosigkeit kurz vorbei, denn etwas zugeben sei nicht so seins, hat er gemeint, selbst wenn es stimme. Ihre Erklärung allerdings, dass nun wirklich Ehrlichkeit angesagt sei, denn nur durch absolute Aufrichtigkeit würde ihm in weiterer Folge irgendwer Glauben schenken, hat selbst die Kreuzberger-Logik verstanden.
    Dann wurde das Diktat fortgesetzt, immer noch auf der ersten Seite:
    Dass er nie und nimmer jemanden ermorden könne, dass er zu so was gar nicht fähig sei – dazu wurde von ihr die Empfehlung ausgesprochen, diverse gute Taten aufzuzählen, was jedoch an Stefan Kreuzbergers eigener Phantasielosigkeit gescheitert wäre, hätte er nicht ihren Vorschlägen anstandslos zugestimmt und diese Taten beinah die gesamte Seite füllend notiert. Weiter ging es mit der Erklärung, dass ihn die ganze Geschichte so mitnehme.

    Zweites Blatt, erste Seite:
    Der Kreuzberger hat zwar gemeint, warum eine zweite Seite, wenn da noch etwas Platz sei, und warum überhaupt gleich ein zweites Blatt? Ihr Argument, das schaue einfach nach mehr aus, abgesehen davon sei das Formsache beim Briefeschreiben, hat wieder gereicht und es ging weiter:
    Dass er seine Lebenslust verloren habe, endgültig von der Welt enttäuscht sei, samt all den falschen Hunden, und garantiert nicht zu den Typen zähle, die sich wegen irgendwas verstecken müssten. Und dass er sich niemals stellen würde als gesuchter Mörder. Eher schicke er sich zum Teufel.
    Stefan Kreuzberger wunderte sich, warum so theatralisch, worauf sie ihm erklärte, dass die Menschen, die das lesen würden, das Gefühl haben müssten, mit dem Moment des Lesens und des Mitwissens auch Verantwortung übernommen zu haben für ein unschuldiges Leben.
    Das konnte er wieder verstehen.
    Dann hat er den Brief in ein Kuvert gesteckt, das Kuvert abgeleckt und fest verschlossen auf das Nachtkästchen gelegt.
    Danach ist er eingeschlafen.

    Nur von kurzer Dauer ist sein Lächeln an diesem Morgen. Mit hilflosem Blick sieht er sie an, und das ist gut so. Hilflose Männer sind wie kleine Kinder, sie glauben an Märchen.
    Voll Sorge fragt er: „Und wie geht’s jetzt weiter?“
    „Machen wir einen Ausflug, im Auto kommen die besten Ideen!“, lautet ihr Vorschlag.

40
    Obwohl er gesucht wird, der große Blaha, könnte ihm der Fahndungsgrund samt dem Zustand dieser kroatischen Schlampe gar nicht gleichgültiger sein, soll die doch der Teufel holen. So dermaßen gleichgültig ist ihm die Djurkovic, dass ihm ohne

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