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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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ein paar dieser glücklichen Jährchen mehr hätten bringen können.
    Dick war sein Vater immer schon, und in etwa genauso groß wie der Metzger heute, und Material wird das gewiss auch ein gutes sein, sinniert der Willibald.
    „Ein Anzug meines Vaters vielleicht, mit Weste. Der könnte passen.“
    „Aha. Ist wahrscheinlich ein altes Stück, aber erstens sind die damaligen Schnitte heute ohnedies wieder modern, und zweitens waren das seinerzeit noch bedeutend brauchbarere Stoffe. Bringen S’ mir den einmal vorbei.
    Und Sie, Herr Wollnar, brauchen Sie auch was?“
    Petar Wollnar, längst geistig abgetaucht, kommt an die Oberfläche zurück und schüttelt, ähnlich einem Haubentaucher, den Kopf:
    „Wenn Ihnen alle Hosen so passen wie die, die Sie anhaben, gäb es aber einiges zu tun, meine ich!“, legt der Schneider auffordernd und nun auch eindeutig im Ton eines Geschäftsmanns nach.
    Petar Wollnar schüttelt weiter den Kopf, bis der Metzger fragt:
    „Geht man nicht aus, weil man keine passende Hose hat, oder hat man keine passende Hose, weil man nicht ausgehen will?“
    „Ersteres!“, meint Edgar Zadrolevsky.
    „Na, dann kommen wir demnächst wieder, zu zweit!“

39
    Längst war alles für diese bevorstehende Zweisamkeit vorbereitet. Nur was ist eine Zweisamkeit ohne Zweiten anderes als Schizophrenie?
    Der Kreuzberger war nämlich nach mittlerweile bald einer Woche immer noch nicht bei ihr aufgetaucht, wodurch sich in ihr eine emotionale Zwiespältigkeit der Art breitmachte, als wäre plötzlich ein zweites Ich in ihrem Inneren auf störendem Kurs unterwegs. Hin und her gerissen zwischen ihrer vertrauten eiskalten Souveränität und den aufkeimenden, doch etwas mit Respekt erfüllten Zweifeln stellte sich das Warten als äußerst ungemütlich heraus.
    Die ersten Tage war sie gelassen, sich ihrer Sache sicher. Dann allerdings hatte sie ihre Bedenken bekommen – warum sollte sie auch von der destruktiven Eigendynamik jener Grübelei verschont bleiben, die bei unerwünschter Wartezeit das Hirn martert: Denn was passiert, wenn der Kreuzberger der Polizei in die Hände fällt, bevor sie ihn findet? Das könnte doch ein wenig unangenehm werden. Ganz abgesehen davon, dass sie sich mittlerweile gar nicht mehr so sicher war, ob ihre Drohung bei diesem seltsamen Restaurator auch wirklich die erwünschte Wirkung zeigt.
    Das Ausstrecken ihrer Fühler brachte ihr eine erste Beruhigung. Er hatte ihr versichert, der Kreuzberger stünde unter Beobachtung, wohne momentan in der Garage eines Ultras-Freundes, samt seinem heiß geliebten Protzfahrzeug, und werde demnächst von dort weg müssen, weil ja die Ultras gerade der Reihe nach durchleuchtet werden wie ein Raucher beim Lungenröntgen. Das Geschwür solle gefunden werden, laut Polizei, die Ursache allen Übels.
    Folglich wäre der Kreuzberger dort nicht mehr sicher und würde bald bei ihr aufkreuzen.
    Besser ginge es nicht, hat er noch gemeint, auch die Ultras verschwänden so wie geplant langsam von der Bildfläche, zerstreuten sich in alle Himmelsrichtungen. Mit einem Lob für ihre bisherige Arbeit und dem Rat, ruhig zu bleiben, hatte er das Telefonat beendet.

    Und dann, mitten in der Nacht, taucht er endlich auf, der Kreuzberger, heruntergekommen,
    -  jammert sie an, er könne nie und nimmer der Owuso-Mörder sein, sei zu so was gar nicht fähig,
    -  fleht sie an, ob er nicht etwas länger bei ihr bleiben könne, in den Ultras-Kreisen fände man ihn jetzt sofort und von ihr wisse ja keiner, übrigens das Grundprinzip schlechthin für den Verkehr in ihren Kreisen,
    -  und widert sie an, wie er da so verschwitzt und völlig niedergeschlagen über die Außentreppe, so wie immer, in ihre Suite eingestiegen ist.
    Sofort gibt sie Bescheid, damit heute kein weiterer Kunde mehr hochgeschickt wird. Das reicht.

    Bezahlt wird wie immer nicht direkt, sondern von ihm, aus dem Hintergrund, sowohl für den Owuso als auch für den Kreuzberger, egal wie lang die beiden blieben. Sogar das einmalige Schneider-Abenteuer hat er dem Alte-Mühle-Wirt finanziert, sozusagen als Lohn für seine Fanklub-Bemühungen.
    Jetzt ist er also endlich da, der Kreuzberger, dieses Schwein.

    Und eines, das kann sie, schauspielern, sich keinen Ekel anmerken lassen, obwohl sie sich eigentlich nie so sicher ist, ob sie überhaupt die Fähigkeit besitzt, Ekel zu empfinden. Ganz abgesehen davon, dass sie ja aus einer anderen Perspektive durchaus Freude über diesen längst erhofften Besuch

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