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Der Metzger sieht rot

Der Metzger sieht rot

Titel: Der Metzger sieht rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Aufgabenbereich schlagen, ergo besser wachen, nicht mit der Brandrede aufgehört. Ungehemmt hat die Vymetal im Spitalszimmer neben der Danjela ihrem ganzen Zorn auf jeden Uniformierten Luft gemacht, bis sich schließlich auch die Danjela diesem Luftmachen mit einem tiefen Seufzer angeschlossen hat, wahrscheinlich aber nicht gerade aus Bestätigungsdrang.
    Da war sie dann ruhig, die gute Freundin.
    Das waren aber bei Weitem nicht die einzigen Betreuungsdienste des Metzgers während dieser Woche.
    Denn am Tag nach dem Johann-König-Besuch in der Werkstatt wollte sich der Metzger nach ausführlicher Schilderung dieser Begegnung vom Petar Wollnar die Absolution zur Preisexplosion barocker Spieltische gegenüber finanzkräftigen Magnaten erteilen lassen.
    „Nehmen, nehmen, nehmen!“, hat der Wollnar mit rinnender Nase und erkältungsbedingt flüsternder Stimme gemeint, worauf ihn der Metzger die Tage darauf ein „Geben, geben, geben!“ zuteil werden hat lassen, so ein Geben hat der Wollnar zuletzt erlebt, wie ihm, dem schwer untergewichtigen Petar, im polnischen Kindergarten aus der fürsorglichen Hand seiner Tante Ewa immer diese regelmäßigen Extraportionen Eintopf in seine Schüssel gerutscht sind.
    Bis auf die Unterernährung hatte ihm seine Mutter nur den Vater gegeben, voll und ganz, nachdem sie über Nacht einfach nicht mehr daheim war. Eine Mutter mache so was nicht, wurden dann aus dem Umfeld lautstark verwundert in Gegenwart des kleinen Petar die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Eine Mutter nicht, dachte er sich, meine schon. Mit 15 ist er aus Polen zum Großonkel geflüchtet, allein, mit 19 hat er zum ersten Mal geheiratet, ohne Kinder, mit 27 zum zweiten Mal, dann ist die Ehefrau genauso verschwunden wie die Mutter, allerdings nicht allein, sondern mit Kindern, Zahnarzt und Gerichtstermin.
    Geben tut also sonst der Wollnar, kein Wunder, dass ihm dieses Bekommen innerlich all jene Regionen seines geschundenen Herzens besiedelt, die nahe am Wasser gebaut sind. Die rinnenden Augen, denen der Metzger in der letzten Woche regelmäßig im Wollnar-Vorzimmer gegenübergestanden ist, waren folglich nicht ausschließlich die Auswüchse der schnupfenbedingt tropfenden Nase, das wusste nur der Willibald nicht.
    Täglich bringt er seinem Pritschenwagenchauffeur vom Wirtshaus zwei Ecken weiter ein Mittagsmenü, erledigt verschiedene Einkäufe und liefert die Tageszeitung. Und dann sitzen die beiden am Wollnar-Küchentisch, jeder isst sein Menü und sie lesen Zeitung.
    Auch der Metzger, unvorstellbar, aber erstens ist mit dem Wollnar zu reden gleichbedeutend wie mit einem Autoreifen, einem Durchlauferhitzer oder einer Glühbirne zu plaudern, und zweitens liest der Metzger die Zeitung ja nicht ungern, den Sportteil versteht sich. Denn immer noch dominiert das Kicker-Saurias-Thema: Die letzten drei Spiele alle haushoch verloren, Verletzungen innerhalb der Mannschaft, Spielersperren wegen Roter Karten, Funktionäre packen aus, Johann König in der Schusslinie.
    Die intensivste Betreuung wurde allerdings dem Tabernakelschrank zuteil, der langsam in eine Form kommt, in so einer Verfassung war er wahrscheinlich noch nie.
    Und wie dann am Ende dieser Woche Ingeborg Joachim abermals unangemeldet die Werkstatt betreten hat, ließ er stellenweise eine Pracht durchblitzen, da müsste man, um das zu übersehen, als Besitzer schon ordentlich was in den Augen haben.
    Ingeborg Joachim, diesmal in einer hellbraunen Kaninchenfelljacke, hatte etwas in den Augen. Und das auch noch ordentlich: Otto Weinstadler.
    Oder eigentlich im Sinn, denn nur wegen ihm war sie in die Werkstatt gekommen. Stiefmütterlicher und hartherziger hätte man einen beinah wieder auferstandenen Tabernakelschrank gar nicht behandeln können, so viele Monstranzen wird der zukünftig gar nicht in sich bergen können, um jemals über diese Wunde hinwegkommen zu können.
    Was das für ein Typ sei, der Weinstadler, und ob man dem vertrauen könne und ob das eh kein Hallodri und Weiberheld wäre und ob der Metzger den Weinstadler einmal fragen könne, was er so zum Thema Ingeborg Joachim zu sagen habe.
    Und wie sie draußen war, so ganz ohne Möbelfrage, hat ihn der Metzger knarren hören, den Schrank.
    Während der Spieltisch wohl täglich vor Freude frohlocken würde, hätte er mitbekommen, dass Mitte der Woche Johann König telefonisch dem Metzger abermals seinen Kaufwillen zusicherte und dermaßen hartnäckig die Bekanntgabe eines, wie er sagte

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