Der Meuchelmord
Stuhl herum, verärgert durch das unverschämte Interesse eines älteren Touristenpaars, das sie mit einem Foto in der Zeitschrift Look verglich. Das Titelblatt zeigte ein Bild ihres Onkels. Über Huntley Cameron waren schon viele Artikel erschienen, zumeist geschrieben von Leuten, die höchstens bis an das eiserne Tor seines Besitzes in Freemont gekommen waren. Für Männer mit einer spitzen Feder war er eine echte Gottesgabe: Seine Ehen, sein Geld, seine tyrannische Haltung gegenüber Untergebenen, vor allem aber seine rechtsradikale Politik, machten ihn auf der ganzen Welt zu einer verhaßten Persönlichkeit. Den meisten Haß hatte ihm jedoch die Bemerkung eingetragen, seine Feinde seien es nicht einmal wert, ihn am Arsch zu lecken. Vor einigen Jahren hatte er mit seinem Imperium aus Tageszeitungen, Rundfunk- und Fernsehstationen zu einem Frontalangriff gegen die Demokratische Partei unter dem damaligen Präsidenten Hughson ausgeholt. Huntley Cameron war sein ganzes Leben lang ein rechtsgerichteter Reaktionär gewesen, immer bereit, sein Geld und seine Macht für seine politischen Ansichten einzusetzen. Bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen rechnete man damit, daß er sich hinter den früheren Clanführer John Jackson stellte, dessen Anhänger lautstark davor warnten, daß Kommunisten und Nigger ans Ruder kämen. Alle Freunde Camerons und sogar auch einige Feinde standen hinter Jackson, dieser übelsten Erscheinung auf der politischen Bühne Amerikas; er war plötzlich aus dem Boden geschossen wie ein Giftpilz. Das Unwahrscheinliche wurde wahr: Der Ku-Klux-Klan war auf dem Wege ins Weiße Haus. Genau an diesem Punkt hatte Huntley Cameron bewiesen, daß er sich von den anderen unterschied. Er hatte erkannt, was ein Präsident wie John Jackson für die Vereinigten Staaten bedeuten würde. Sein Weitblick reichte über den erbitterten Streit im Nahen Osten und die sozialen Unruhen in Amerika selbst hinaus in eine Zukunft, die so blutig und von Uneinigkeit geprägt war, daß sich Amerika auch im Laufe einer ganzen Generation kaum davon erholt hätte. Zu aller Überraschung vollführte er eine Kehrtwendung und verkündete, er werde den Demokraten Patrick Casey als Kandidaten für das Weiße Haus unterstützen; er sei bereit, seine enormen Mittel dem überzeugtesten liberalen Politiker Amerikas zur Verfügung zu stellen. Cameron hatte nicht als armer Mann begonnen, sondern als Sohn eines reichen Fabrikanten, aber er hatte sein Millionenerbe aus der chemischen Industrie herausgezogen und damit eine gutgehende Tageszeitung im Bundesstaat New York gekauft. Mit sechzig Jahren besaß er ein Vermögen, das sich nicht mehr genau abschätzen ließ, und eine Macht, mit der er nach Belieben jeden Kandidaten stützen oder stürzen konnte.
Im Vergleich zu ihm war Eddi King ein Niemand. Er besaß einen kleinen, aber vornehmen Verlag und eine intellektuelle Zeitschrift, die von konservativen Amerikanern viel gelesen wurde und auch in ähnlichen Kreisen Europas einigen Einfluß gewann. Er war zweiundfünfzig Jahre alt, sah aber jünger aus. Sein Haar war schon etwas ergraut, aber sein Gesicht war gesund und braun gebrannt, seine Figur durch intensiven Sport in Topform. Er kleidete sich zwar immer tadellos, wirkte aber nicht geckenhaft, weil er dafür zu groß und massig war. Das breite, stets nach Rasierwasser duftende Gesicht war trotz der gleichmäßigen amerikanischen Zähne europäisch geblieben und wurde von einer hochgewölbten Stirn über den blaßgrünen Augen beherrscht. Er behauptete, lettisches Blut in den Adern zu haben, und machte damit großen Eindruck auf Frauen. Er war ein anregender Plauderer, ein angenehmer Gesellschafter und ein konsequenter Intellektueller in einem Land, in dem man gebildete Menschen höher einschätzte als Multimillionäre. Er war zwar Huntley Camerons Vertrauter, aber nicht sein Freund – Huntley hatte keine Freunde. Freundschaft hätte ein gewisses Maß an Gleichheit vorausgesetzt, und Huntley war nur einer ebenbürtig: Huntley selbst.
King lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander und lächelte Elizabeth an. Er hatte es als Vergnügen empfunden, ihr den Hof zu machen. Er hatte durchaus etwas für hübsche Mädchen übrig, und Elizabeth Cameron war ungewöhnlich attraktiv, dazu noch ohne den penetranten Egoismus, der so viele reiche Amerikanerinnen aus seinen Kreisen ihrer Weiblichkeit beraubte.
»Sie haben ihn sich gut angeschaut?« fragte er noch einmal.
»Gründlich
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