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Der mieseste aller Krieger - Roman

Der mieseste aller Krieger - Roman

Titel: Der mieseste aller Krieger - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sie klimperte mit ihren Wimpern wie ein versilberter Schmetterling.
    »Hallo«, sagte ich, »wie geht es dir?«
    Die Alte deutete auf ihre Ohren. Ich wusste, dass sie mich nicht hören konnte, trotzdem wiederholte ich stur: »Hallo, wie geht es dir?«
    So musste die Ojerosa notgedrungen das Fenster öffnen.
    »Tut mir leid, aber ich konnte dich nicht hören. Was hast du gesagt?«
    »Ich habe dich gefragt, wie es dir geht. Flor erkundigt sich ständig nach dir.«
    Es folgte Schweigen. Ihr Verstummen war das Zeichen unserer zukünftigen Feindschaft. Unter meinem eindringlichen Blick entschloss sie sich schließlich doch zu reden: »Wenn sie an mir interessiert wäre, würde sie mich mal besuchen, oder?«
    »Stimmt«, erwiderte ich. »Aber Flor ist schon seit fast einem Monat in der Hauptstadt. Sie musste mit der Tita dorthin, wegen des Papierkrams mit der Adoption.«
    »Und wie geht es der Kleinen?«
    »Sehr gut, danke.«
    »Hör mal, Samuel, glaubst du nicht, dass es zu kalt ist, um hier so herumzulaufen?«
    »Ja, ja. Eigentlich bin ich nur los, um die Trinidad zu suchen. Du hast sie nicht zufällig gesehen?«
    »Doch, doch. Vor einer Weile ist sie hier vorbeigekommen.« Sie hielt kurz inne, um dann die Frage zu wagen: »Du wirkst besorgt. Ist irgendwas passiert?«
    »Ach, ich will dich da nicht mit reinziehen, aber ihre Kolleginnen liegen mir in den Ohren, sie habe sich mit Alzamora in seinem Zimmer eingeschlossen. Ich wollte nur nachschauen, ob das stimmt, aber ich trau mich nicht, ihn aufzusuchen.«
    Die Ojerosa ließ ihre Wimpernflügel hastig auf und ab flattern. Sie machte große Augen. Darin vermengten sich Erstaunen und Zweifel. Ich kannte ihre Leidenschaft, sich in das Leben der anderen einzumischen, weshalb mich ihr übertriebenes Interesse für diese Neuigkeit nicht überraschte.
    »Und du sagst, die Trini, diese Zwergin, befindet sich in diesem Augenblick mit dem Priester in seinem Zimmer neben der Kirche?«
    »Ich schwöre, so habe ich es gehört.« Dabei küsste ich mir auf den Daumen und erhob ihn gen Himmel, bemüht, als der frommste Mann des Abends zu erscheinen.
    »Das muss ich mit eigenen Augen sehen«, verkündete sie und schnappte sich ihren abgewetzten Mantel, entschlossen, mich zum Platz zu begleiten.
    Wir liefen schweigend nebeneinanderher, aber so wie ich die Alte kannte, würde das Schweigen nur von kurzer Dauer sein. Die Nachricht würde sich bald in ganz Paitanás herumgesprochen haben, und zwar noch bevor die Tageszeitungen in die Kioske gelangten. Vor der Seitentür der Kirche blieben wir stehen. Ich warf einen Blick auf die Palme, die in der Mitte des Platzes stand, und auf die Häuser rundum. Das ganze Städtchen schlief. Die Ojerosa wirkte wie ein Gespenst im Nebel. Sie legte das Ohr an die Tür und bat mich unmissverständlich, den Mund zu halten. Sehr bald vernahmen wir Gekicher und Getuschel, dann das Geräusch des Schlüssels im Schloss, und schon öffnete sich die Tür. Die Trini trat zuerst heraus und starrte uns verblüfft an, gab aber keinen Laut von sich. Dann streckte Alzamora den Kopf heraus, um sich von ihr zu verabschieden, und erschrak, als er uns sah.
    »Auweia«, murmelte die Ojerosa.
    Alle starrten wir uns wortlos an.
    »Alzamora, wir beide, du und ich, wir haben noch was zu besprechen«, sagte ich schließlich.
    Der Gott schloss die Augen und schüttelte ungläubig den Kopf, dass ausgerechnet ihm so etwas passieren musste. Und bevor die Ojerosa noch etwas hinzufügen konnte, verkündete der Priester, er werde uns am nächsten Tag aufsuchen. Mit diesen Worten blies er das Licht aus.
    Die Hunde kläfften wie wild, als sie die beiden Pferde hörten, die vor dem Haus haltmachten. Ich wollte gerade aufbrechen,um das Arche Noah zu putzen, als der junge López-Cuervo II mit einem Soldaten auftauchte, der aber draußen wartete. Der junge Oberst der Nationalpolizei machte mir ganz den Anschein, als suchte er Streit – so kannte ich es von seinem Vater. Er trat ein, während Flor hinauseilte, um die Hunde im Patio zu beruhigen. In seinem Gesicht entdeckte ich die hitzigen Züge seines Vaters, nur dass der Sohn sich ein wenig beherrschter, zivilisierter gab. Er ließ den Blick über die Wände in unserem Haus schweifen, wanderte durch das Esszimmer, als gehörte es ihm und als suchte er etwas in längst vergessenen, völlig verstaubten Winkeln. Ich fragte ihn, was zum Teufel er wolle, ob der Grund seines Besuchs der Name des Lokals sei, woraufhin er mir erklärte, er ermittle

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