Der mieseste aller Krieger - Roman
ähnlich, und der Inhalt des Gesprächs habe sich um das tote Pärchen gedreht.
Die Lorenzona war ein merkwürdiges Weib. Sie hatte strohiges Drahthaar wie ein Maultier und wer ihr begegnete, wich ihr aus oder wich zurück, als sei diese Fremde ein gefährliches Raubtier. Alle zwei Monate tauchte sie bei Antonio Wasaf auf, dem Besitzer eines Ladens, in demfast alle Maultiertreiber aus der Umgebung von Paitanás ihre Lebensmittel und Munition kauften. Wer sie sah, ging davon aus, dass sie auf dem Weg dorthin war. Diesmal habe sich das schlampig gekleidete Weib allerdings nach Sofanor erkundigt. Ganz in der Nähe der Palme auf dem Platz sei sie vom Pferd abgesprungen, zu dem Wasserbecken vor der Kirche gegangen und habe jeden angesprochen, der ihr über den Weg lief, ohne jedoch eine befriedigende Antwort zu erhalten. Die Ergebnisse der Autopsie seien noch nicht aus der Hauptstadt eingetroffen, erklärten ihr die Leute, überrascht, dass sie plötzlich aufgetaucht war. Mit ihrer dröhnenden Mannweibstimme, dem Kopftuch, unter dem das im Nacken zusammengebundene Haar zum Vorschein kam, und ihrer unwirschen Art gegenüber jedem, der sie anglotzte, jagte sie fast allen Ortsbewohnern Angst ein.
Sie habe auf dem Rand des Wasserbeckens gesessen, sagte die Ojerosa weiter, und aufs Wasser gestarrt, in dem sich noch nicht die Sterne spiegelten. Ihre Kleidung sei völlig verstaubt gewesen, was davon zeuge, dass sie einen langen Ritt hinter sich hatte. Sie habe den Mund unter den Wasserstrahl gehalten, um zu trinken, und sich dann das Gesicht erfrischt.
Es hieß, die Lorenzona schwinge sich mit einem Satz aufs Pferd und sei die geborene Räuberbraut. So innig sei sie mit der Wüste, ihren Stollen, Bergen und Pfaden verwoben, dass sie dort immer Zuflucht finde. Ich glaube, sie war selbst erstaunt über ihren Ruf. Den wahren Kerndessen, was ich dir hier erzähle, Benito, haben die Leute bis zur Unglaubwürdigkeit übertrieben, und die Mütter machten sich die Berühmtheit der Lorenzona zunutze, indem sie ihren Kindern drohten: Wenn du den Teller nicht leer isst, sage ich der Lorenzona, sie soll kommen, dich auf ihr Pferd packen und in ihre Räuberhöhle verschleppen. Die Kinder rannten ängstlich nach Hause, sobald sie nur die Staubwolke sahen, die ihr Pferd aufwirbelte.
An jenem Abend aber verschwand sie nicht spurlos, sondern kehrte nachts zurück. Angeblich hatte sie an der Seitentür der Kirche gepocht. Und kaum hatte Alzamora die Nase herausgestreckt, da wurde er schon von dem Mordsweib hineingestoßen, das mitsamt Pferd eintrat. Im Innenhof band sie es an einem Weinstock fest. Dann zog sie den Säbel aus dem Futteral, das sie am Gürtel trug, und sagte, sie würde ihm nichts zuleide tun, wenn er ihr nur ein paar Fragen beantworte. Der Pfarrer lud sie freundlich, aber kühl zu einer Fischsuppe ein, er schien unbeeindruckt von der Gegenwart jener Räuberbraut. Die Leute fanden das Auftreten Alzamoras mutig, aber nur wenige wussten, dass eine gewisse Vertrautheit zwischen ihnen bestand, denn diese Frau hatte ihm bei mehreren Gelegenheiten Kräuter zweifelhaften Ursprungs besorgt. Was die Lorenzona nicht wusste, war, dass die Trinidad in eine Decke gehüllt unter dem Bett lag und beobachtete, wie das Mannweib sich ständig über den feinen Bartflaum strich. So hat es mir, wenn ich mich recht erinnere, die Trini erzählt. Alzamora nahm den Topf mit der Fischsuppe. Sobald er denTeller gefüllt hatte, reichte er ihn unterwürfig seinem unverhofften Gast. Die Lorenzona zeigte sich besonders interessiert daran, zu erfahren, wie Sofanor und die Inglesa umgekommen waren. Der Pfarrer erzählte ihr alles, was er wusste, woraufhin sie gegen die Frau mit den grünen Augen wetterte.
»Ich habe ihn gewarnt, diese Hure würde ihn umbringen!«, zeterte die Lorenzona.
Anschließend brach sie vor dem Pfarrer zusammen. Sie gestand ihm ihre besondere Freundschaft zu Sofanor und dass sie ihn in seinem Kummer getröstet habe, als die Inglesa ihn wegen eines anderen aus ihrem Land habe sitzenlassen. Doch offenbar brachte unser geliebter göttlicher Verirrter nichts Genaueres über die Beziehung ans Tageslicht, die die Lorenzona die Nerven verlieren ließ.
Dieser skandalöse Vorfall, der die gesamte Atacamawüste in Aufregung versetzte, sicherte mir die Freiheit. Im Wissen, dass die Lorenzona sich rühmte, eine ausgezeichnete Schützin zu sein, mit dem Karabiner wie mit der Pistole, richtete López-Cuervo II seine Ermittlungen fortan auf sie.
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