Der Milliardär und das Kindermädchen
Irgendetwas an Olivia hatte sie tief berührt … vielleicht die Tatsache, dass das Mädchen sie ein bisschen an sie selbst erinnerte: Sie wirkte ähnlich einsam und verloren, wie Melanie sich als Kind oft gefühlt hatte.
Zane Foley erwiderte ihr Lächeln nicht. Er wich ihrem Blick sogar aus. Ein Sonnenstrahl fiel durch das bleiverglaste Fenster und überzog seine markanten Gesichtszüge mit einem rötlichen Schimmer.
Melanie schluckte.
„Sie sind ein optimistischer Mensch. Das gefällt mir“, bemerkte er. „Meiner Tochter Livie gegenüber können Sie eine gute Portion Optimismus nämlich gut gebrauchen. Ich habe Ihnen ja schon bei unserem ersten Gespräch erzählt, dass sie in den letzten sechs Jahren fünf verschiedene Nannys hatte.“
„Ja, daran erinnere ich mich gut“, erwiderte Melanie. Ihre bisherige Chefin hatte ihr auch schon davon erzählt, dass das Mädchen nach dem Tod ihrer Mutter sehr abweisend auf alle Frauen reagierte, die ihr gegenüber in die Mutterrolle schlüpfen wollten. Daher war Melanie darauf gefasst, dass sie keine leichte Aufgabe vor sich hatte. Trotzdem wollte sie die Herausforderung unbedingt annehmen: Sie wollte für das kleine Mädchen da sein – weil sie sich früher auch so sehr jemanden gewünscht hatte, der für sie da gewesen wäre.
„Meine Tochter ist nicht einfach. Das sage ich Ihnen gleich ganz offen“, sagte Zane Foley.
„Darauf bin ich gefasst“, gab Melanie zurück. „Ich gebe nicht so leicht auf.“
„Das haben mir Ihre Vorgängerinnen anfangs auch alle erzählt. Am Ende meinten dann die meisten, es wäre schön, wenn ich mich meiner Familie ähnlich intensiv widmen würde wie meinem Unternehmen.“ Er beugte sich ein Stück vor und fixierte Melanie. „Nur, damit Sie Bescheid wissen: Ich stelle Sie als Nanny an, nicht als Lebensberaterin.“
Sie zwang sich, seinem bohrenden Blick standzuhalten, und wurde dabei das Gefühl nicht los, dass Zane Foley mit seinem überheblichen Auftreten ein sehr verletzliches Innenleben schützte.
„Ich würde mir nie anmaßen, jemandem ungefragt Ratschläge zu geben, Mr. Foley“, erwiderte sie seelenruhig.
Er lehnte sich wieder zurück, hörte aber nicht auf, sie zu beobachten.
Melanie spürte seinen Blick am ganzen Körper, sie war wie elektrisiert.
„Mir ist unser Familienunternehmen ausgesprochen wichtig“, führte er aus. „Livie ist meine einzige Tochter. Eines Tages will ich ihr alles hinterlassen, was mir gehört. Und ich wünsche mir, dass sie so viel wie möglich davon hat.“
Das klang ganz so, als wüsste er jetzt schon, dass er nie wieder heiraten und auch keine weiteren Kinder bekommen würde. Melanie erschauerte. „Das wird Ihre Tochter bestimmt zu würdigen wissen“, sagte sie.
„Ich will Ihnen nicht verschweigen, dass es mich sehr viel Zeit und Kraft kostet, mich um unsere Finanzen zu kümmern. Einfach dafür zu sorgen, dass nicht alles wieder den Bach runtergeht. Das führt leider dazu, dass ich nicht so viel Zeit mit meiner Tochter in Austin verbringen kann, wie manche Menschen das vielleicht von mir erwarten.“
„Aha“, erwiderte Melanie. „Ich habe schon gelesen, dass es Rivalitäten zwischen Ihrer Familie und den McCords gibt.“ Dass die Familien seit mehreren Generationen in Feindschaft lebten, war kein Geheimnis.
Zane Foley kniff die Lippen fest zusammen. Offenbar gefiel ihm das Thema überhaupt nicht. „Nun ja, ich habe sehr viele Verpflichtungen. Daher brauche ich jemanden für Livie, auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann. Ich suche jemanden, der sich haargenau an meine Vorgaben hält und sie so erzieht, wie ich es für richtig halte.“
Melanie schüttelte sich insgeheim. Ganz schön autoritär! Der Mann tat ja gerade so, als wäre seine Tochter eines seiner vielen Geschäftsprojekte, und nicht etwa ein kleines Mädchen mit eigenen Gefühlen und Bedürfnissen. Livie brauchte viel mehr als strenge Vorgaben; das hatte Melanie bei ihrem ersten kurzen Kennenlernen gleich gespürt.
Sie wollte schon etwas Entsprechendes erwidern, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig bremsen. „Verstehe“, sagte sie stattdessen, obwohl sie seine Motive kein bisschen nachvollziehen konnte.
Zane Foley sah sie noch ein letztes Mal mit seinen umwerfenden haselnussbraunen Augen an. Melanie bemühte sich, einigermaßen unbewegt zu wirken – auch wenn ihr dabei ganz flau im Magen wurde.
Schließlich stand er auf. Ihre Bewerbungsmappe ließ er einfach auf dem langen Mahagonitisch
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