Der Minnesaenger
Verwandlung zum Tode vollziehen konnte. Für einen kurzen Moment gedachten sie der eigenen Sterblichkeit, dann spürten sie wieder den Strom des Blutes, der noch mit unverminderter Kraft durch ihre Adern pulste. Sie brachen in frenetischen Jubel aus, so als könnten sie dadurch dem eigenen Schicksal entgehen. Der Herzog trat vor und hob die Hände, um der Menge Einhalt zu gebieten.
»Vom heutigen Tag an ist die Heilerin Judith als unschuldig anzusehen«, rief der Zähringer. »Das Haus des Mörders ist zu zerstören und darf binnen eines Jahres nicht wieder aufgebaut werden...«
Hartmann hörte nicht mehr hin. Er wollte so schnell wie möglich zu Judith, sie in seine Arme schließen und ihr sagen, dass nichts und niemand sie jetzt noch auseinanderbringen könnte, aber seine Füße waren so schwer,
als würden sie im Morast versinken. Sein Kopf pochte auf einmal so stark, als könnte er jederzeit platzen. Ein heftiger Schwindel erfasste ihn und riss ihn zu Boden...
12.
Vor der Zerstörung des Turmhauses ließ Judith den gesamten Warenbestand versteigern, zahlte sechzig Schillinge Blutgeld an den Stadtvogt und übergab die restlichen Gold- und Silbermünzen an die beiden Kirchdiener aus Wiehre, die das Spital in Vater Lothars Sinne weiterführen wollten.
Judith kehrte nach Aue zurück und widmete sich ganz der Pflege Hartmanns. Sein Zustand war ernst, aber nicht lebensbedrohlich. In den Nächten wachte sie an seiner Seite und legte ihm die heilende Hand auf die Stirn.
Alles hatte sich nach so vielen Jahren doch noch gefügt. Trotzdem fragte sie sich zuweilen, warum dieser Mann so viel auf sich genommen hatte, um sein Leben mit ihr zu verbringen. Was machte ihren Reiz aus? Eine einfache Erklärung wollte sich nicht einstellen. Sie wusste nur, dass sich die Liebe den Menschen in ganz unterschiedlicher Gestalt offenbarte. Für Hartmann und sie hatte sie sich einfach ereignet. Von Beginn an hatten sie einen Sinn für den anderen gehabt.
Mitte August war Hartmann endlich stark genug, um sich vom Bett zu erheben. Nachdem ihn sein älterer Bruder in die Amtsgeschäfte eingeführt hatte, griff Heinrich nach seinem Pilgerstab und begab sich wie angekündigt auf die lange Reise nach Santiago de Compostela.
Die Ernte war längst eingebracht, so dass Judith und
Hartmann an den lauen Abenden genügend Zeit fanden, um Spaziergänge in die Umgebung zu unternehmen. Manchmal huschte noch ein Schatten über sein Gesicht, so als würden schlimme Erinnerungen ihn heimsuchen, aber mit der Zeit wurde er immer mehr zu dem Mann, der er vor seiner Abreise ins Heilige Land gewesen war. Mit jedem Tag wurde ihr Umgang vertrauter und der Austausch an Gedanken reger. An seiner Seite fühlte sie sich wie eine Frau. Sie musste nicht länger Durchsetzungskraft zeigen, vielmehr durfte sie auch mal schwach sein. Sie wusste, dass es nur eines Winkes von ihr bedurfte, damit er sich drohend neben ihr aufbaute, um sie gegen jede Gefahr zu verteidigen. Es fühlte sich so gut an, ihren Kopf an seine Schulter zu lehnen und seine Männlichkeit zu spüren. Überhaupt suchte sie immer häufiger seine körperliche Nähe. Mal nahm sie seine Hand und mal küsste sie ihn zärtlich auf den Nacken. Wenn sie ihm andeutete, was ihr widerfahren war, schien er ihre Nöte zu verstehen und gab ihr die Zeit, die sie brauchte. Irgendwann wagte sie den nächsten Schritt.
An einem Sonntag Mitte September gelangten sie nach einem langen Marsch an den kleinen Wasserfall. Es war noch warm und sie zogen ihre Wollumhänge aus. Ausgelassen bespritzten sie sich an einer seichten Stelle und ließen sich hinterher im Bassin treiben. Als Judith seine Blicke auf ihrem nackten Leib spürte, entzog sie sich ihm nicht, sondern zeigte ihre Blöße ganz bewusst. Zum ersten Mal genoss sie es, das Begehren in einem Mann zu wecken. Später legte sie sich neben ihn ins Gras und gegenseitig streichelten sie einander. Seine Liebkosungen erregten sie so stark, bis sie es nicht mehr aushielt. Endlich wollte sie
ihn in sich spüren, endlich wollte sie ihm ganz nahe sein. Als sie ihm die Schenkel öffnete und er ganz behutsam in sie eindrang, fühlt es sich wunderschön an. Seine Hände waren überall auf ihrem Leib. Seine Küsse bedeckten ihr Gesicht, ihren Hals und ihre Brüste. Als sie spürte, wie seine Bewegungen ruckartiger wurden, schloss sie ihre Beine über seiner Taille. Sie wollte ihn ganz tief in sich spüren, wollte ihn nie mehr loslassen. Sie liebte ihn von ganzem
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