Der Moderne Knigge
adlig und sehr verschuldet sein sollte, unterlasse man es, denn dann greift die reiche Amerikanerin zu.
Seit einigen Jahren ist auch ein
Kostümfest der Künstlerinnen,
ein Fest, das ausschließlich von Damen besucht wird, in Mode gekommen. Die folgenden Fingerzeige gelten also nur den Damen.
Es versteht sich wohl von selbst, daß, wie Herrenfeste, auch Damenfeste langweilig sind. Eine Dame, die ein solches Fest besucht und darauf gefaßt ist, sich zu langweilen, wird sich sehr langweilen. Das aber ist die Garantie für den Bestand dieser Damenfeste, da jede Dame, welche sich gelangweilt hat, behauptet, das nächste Fest könnte unmöglich ebenso langweilig werden und es daher besucht.
Man wähle kein Kostüm, in welchem man glänzend aussieht, denn dadurch bestimmt man alle Damen zu der Äußerung, daß man sehr miserabel aussehe. Um sich allgemein beliebt zu machen, erscheine man also höchst unvorteilhaft gekleidet. Das beste ist, man wählt die Maske als Mephisto, als Hexe, als Zeitungsfrau oder als Froschkönig, weil man dadurch Gelegenheit hat, auch das Gesicht zu verhäßlichen. Das gefällt den anderen Damen.
Mancher Mann, der sich, als Dame verkleidet, eingeschlichen hatte, ist von den Besucherinnen beneidet worden, weil er hinausgeworfen wurde.
Solche Damen, welche Sekt trinken und dazu rauchen, meinen es nicht so. Diejenigen Damen, welche Thee genießen und das Rauchen verabscheuen, meinen es auch nicht so.
Verheiratete Damen, welche ungemein sanft sind und kein lautes Wort sprechen, würden von den Gatten, wenn sie anwesend wären, nicht wiedererkannt werden.
Giebt eine Dame verschwenderisch Geld aus, so hat sie es durch große Sparsamkeit gesammelt, was die Familie seit Wochen bei Tisch gemerkt hat.
Gehört eine der anwesenden Malerinnen der realistischen Richtung an und kann nicht tanzen, so tanzt sie jedenfalls besser, als sie malt.
Damen, welche als Gretchen erscheinen, sind vor denen zu warnen, welche als Faust erscheinen, denn sie werden sicher betrogen und gehen mit den Worten: Kein Vergnügen mit Damen! nach Hause.
Hier sind auch die
Herrenfeste
zu erwähnen. Sie sind die Zote im Dienste der Wohlthätigkeit, ohne daß die Zote dadurch das Recht zu existieren erreicht.
Alle Männer verstehen die Zote. Wenn aber die Zote Geist hätte, so würde sie die Männer nicht verstehen.
Man bestelle vertrauensvoll Speisen und Getränke. Im Vergleich mit den Vorträgen ist alles genießbar.
Man lache immer, denn wer nur über neue Zoten lachen wollte, würde nie lachen.
Wenn man sich vor den Kellnern geniert, so freue man sich, denn dies ist ein Beweis dafür, daß man anständig ist. Aus demselben Grunde applaudiere man, wenn ein Vortrag harmloser Natur an die Reihe kommen sollte.
Will man originell sein, so bringe man einen Toast auf den abwesenden Staatsanwalt aus. Aber man wird sich dadurch nicht beliebt machen, was man sofort merkt, wenn man vom Festkomitee hinausgewiesen wird.
Während der scenischen Darstellungen schimpfe man über den auf der Bühne herrschenden Ton, um nicht aufzufallen, denn das Publikum der Herrenfeste ist ein anständiges, und man schimpft allgemein.
Nach den folgenden Gesangsvorträgen der eingeladenen Sänger verlasse man das Fest, da sie immer anständig zu sein pflegen und man daher mit einem freundlichen Eindruck davonkommt.
Das Herrendiner
ist und bleibt immer eine der liebenswürdigsten Formen, Eingeladene, die nicht gern ohne Damen speisen, zu langweilen, und schon darum verzeihlich. Auch kann der Herr des Hauses oft nicht anders, und es ist ihm schon darum nicht übel zu deuten, weil er sich dabei selbst nach Kräften langweilt.
In der Reihe der häuslichen gesellschaftlichen Veranstaltungen nimmt das Herrendiner diejenige Stelle ein, die das Spezialitäten-Theater in der Reihe der Bühnen einnimmt. Wer ein Herrendiner giebt, hat für Spezialitäten hervorragender Art zu sorgen, um sein verwöhntes Publikum zu befriedigen. Er hat Gänge und Weine zu liefern, die den Rang vielgenannter Namen der Gesangs-, Tanz-, Drahtseil-, Trapez- und Athletenkunst einnehmen.
Wer lange keinen Kater und keine Magenbeschwerden hatte und sich danach sehnt, lehne die Einladung zu einem Herrendiner nicht ab.
Ist man eine hervorragende Persönlichkeit, so sei man rücksichtslos, so daß die Gesellschaft etwas lange warten muß, bis zu Tisch gegangen wird. Denn es macht dem Wirt Vergnügen, daß die hervorragende Persönlichkeit oft und sei dies auch in feindseliger
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