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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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Holzwand der Kegelbahn müssen sie Halt machen, so sehr überzeugt sie sind, daß sie ein Keglerkostüm sehr schön kleiden würde. Ja, wenn die Kegler nicht so klug wären!
    Ist man verheirateter Kegler, so schwebt man in einer gewissen Angst, daß die Frauen eines Tages auch in die Kegelbahn eindringen. Damit verlöre man eine der letzten Freistätten, die vor den Frauen sicher sind, und man hätte dann kaum noch einen Ort, wo man gewesen sein kann, wenn man anderswo gewesen ist.
    Wenn sich der moderne Knigge erst jetzt den
Weltausstellungen
    zuwendet, so liegt dies daran, daß sie nicht allsommerlich erscheinen, sondern nur von Zeit zu Zeit nicht fertig sind, wenn sie eröffnet werden.
    Um die Weltausstellung umsonst besuchen zu können, sei man kein Aussteller. Hierauf berechne man, wieviel man aus dem Fenster geworfen hätte, wenn man Aussteller gewesen wäre, und für diese Summe oder für einen Teil dieser Summe unternehme man alsdann die Reise zur Ausstellung. So macht man sie umsonst.
    Will man in ein Besuchergedränge geraten, in welchem es kein vernünftiger Mensch auszuhalten vermag, so wähle man die Zeit, wo Extrazüge auf die Stadt der Weltausstellung losgelassen werden.
    Kommt man daselbst an und findet keinen Platz im Hotel, so sei man nicht gleich trostlos, man wird auch in einem Privatlogis geprellt. Dies wird man auch wieder in Paris bestätigt finden, woselbst die nächste Weltausstellung stattfinden wird und schon Anstalten getroffen werden, den Besuchern nicht mehr Geld abzunehmen, als sie besitzen.
    Spricht man nicht perfekt französisch, so schadet es nichts, denn man verrät auch, daß man kein Franzose ist, wenn man etwas perfekter spricht.
    Nimmt man sich vernünftigerweise vor, nicht alles sehen zu wollen, was in der Weltausstellung zu sehen ist, so gehe man womöglich zweimal täglich hinein. Dann sieht man auch von dem Wenigen, was man sehen will, nicht alles.
    Will man seine Abende nicht verlieren und aus diesem Grunde kein Theater besuchen, so gehe man abends an die Kasse, woselbst man kein Billet mehr bekommt.
    Trifft man auf einem öffentlichen Ball eine reizende Dame, von deren unschuldigem Aussehen man entzückt ist, so warte man fünf Minuten und ihr Geliebter wird erscheinen. Entfernt sich dieser, so warte man drei Minuten und ihr zweiter Geliebter wird erscheinen u. s. w., bis der sechste erschienen sein wird.
    Man spreche nicht vom deutsch-französischen Krieg, denn man kann auch durch andere Gespräche große Unannehmlichkeiten haben.
    Ist man eines Tages zu einer recht großen und originellen Dummheit aufgelegt, so spreche man mit einem Pariser über Dreyfus. Aber man wird es nicht wiederthun.
    Ist man mit der Gattin in Paris, so besuche man mit ihr kein Tanzlokal, das man als Junggeselle besucht hat. Denn die anwesenden Cancaneusen haben ein gutes Gedächtnis und, um das Deine aufzufrischen, erinnern sie Dich vielleicht daran, daß Du ihnen noch ein Souper schuldest. Das ist Deiner Gattin ganz angenehm, weil es sich nur um ein Souper und um kein Armband handelt, aber es handelt sich doch vielleicht diesmal um kein Souper, sondern um ein Armband für die Gattin.
    Wird man in einem Magazin für einen Russen oder einen Türken gehalten, so hat man dies gewiß selbst dadurch verschuldet, daß man französisch sprach. Dies führt die echten Pariser meist irre.
    Will man sehen, wie Frankreich seine Helden verehrt, so besuche man das Grab Napoleons im Invalidenhotel, und wenn man sehen will, wie Frankreich seine Helden verunehrt, so betrachte man die Napoleonssäule auf der
Place Vendôme
, welche 1871 umgeworfen wurde.
    Begegnet man in der Weltausstellung einem General, vor dem jeder den Hut zieht, so mache man keine malitiöse Bemerkung, welche ihn beleidigen könnte, denn er ist vielleicht kein Fälscher.
    Will man sich eine peinliche Scene ersparen, so antworte man in der Vorstellung des »Lohengrin« im Pariser Opernhause seinem Nachbar nichts, wenn er versichert, Richard Wagner sei ein geborener Franzose und durch ein widriges Schicksal nach Deutschland verschlagen. Ein Widerspruch, eine Berichtigung, oder gar ein Lachen würde den Pariser schwer verletzen und veranlassen, daß man wegen Beleidigung der französischen Nation als
Prussien
gelyncht wird.
    Wird man in der Ausstellung von einer Dame begrüßt, die man nicht kennt, so sage man ihr: Sprechen Sie mit meiner Mutter! und lasse sie in ihrer Verblüffung stehen.
    Um die französische Sprache zu erlernen, kann man

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