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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Begleiter standen in der obersten Reihe der halbrunden Tribünen, die sich in vier Stufen bis zum Boden des kreisförmigen Saales erstreckten. Die Wände mit den Fenstern waren von innen mit langen Bahnen von Tuch verhangen, und Lewis begriff, warum von außen kein Lichtschimmer zu sehen gewesen war, obwohl das Theater durch vier große Kandelaber, die auf hohen Ständern in der Mitte des Raumes thronten, beleuchtet wurde. In ihrer Mitte befand sich ein Tisch, der einem Altar ähnlich war. Denn dahinter stand, wie ein Priester in Schwarz gekleidet, der Magister Gottwerth Heinrich Löber, der die Arme weit zum Gruß ausgebreitet hatte. Und vor ihm lag, mit gespreizten Gliedern, an Handgelenken und Fußknöcheln auf den Tisch gebunden, der halb entblößte, nur mit Hosen bekleidete Körper Wilhelm Herders.
    „Willkommen, Herr Lewis“, rief Löber, und die Narbe in seinem Gesicht zuckte dabei. „Ich bin erfreut, wie pünktlich Sie sind.“
    Lewis spürte, wie Wut bitter in seiner Kehle hochstieg. Er sah in Löbers unheilvoll lächelndes Gesicht und erkannte, dass neben seinen blitzenden Augen noch etwas anderes im Schein der Kerzen funkelte. Löber hielt ein blankes Messerchen in der Hand, an dessen Schneide es dunkel und feucht schimmerte. Bestürzt blickte Lewis auf den vor Löber liegenden Herder. Er hatte sich, seit Lewis eingetreten war, nicht gerührt. Ob er ...
    „Nein“, schnitt Löbers Stimme durch den Raum, „er ist nicht tot. Oder vielmehr ... noch nicht.“ Löber ließ die Arme sinken und führte die Hände zueinander, dann berührte er vorsichtig die Klinge, als wolle er die Schärfe prüfen. „Ich wollte nicht mit der Vorlesung anfangen, bevor mein gelehriger Studiosus zugegen ist.“ Dann winkte er dem Maskierten, der reglos hinter Lewis stand.
    „Bring Herrn Lewis herunter, damit er einen Platz bekommt, an dem er gut sehen kann.“
    Der Maskierte stieß Lewis die Pistole in den Rücken und drängte ihn nach vorn. Als sie die Stufen hinuntergingen, fragte Löber wie beiläufig, während er den still daliegenden Herder begutachtete: „Ach, sag übrigens, Bruder, hatte Herr Lewis irgendeine Art von Reisebegleitung?“
    „Ja, Cetaos“, krächzte der Maskierte heiser, und Lewis erschrak, als er die Stimme wiedererkannte, „und ich habe mich seiner angenommen. Er schwimmt in der Saale.“
    Lewis spürte einen Stich in der Brust. Krafft war dem Meuchelmörder zum Opfer gefallen, und folglich war die letzte Hoffnung auf Rettung dahin. Außer er selbst versuchte, Löber anzugreifen und ... aber da war noch der Heisere, der weder seine Augen noch seine Pistole von Lewis wandte. Es war ausweglos. Lewis atmete bebend ein.
    Löber schien es gehört zu haben. „Herr Lewis, ist Ihnen schwach zumute? Das muss nicht sein.“ Er wies auf einen Sitz in der vordersten Bankreihe, und der Maskierte drückte Lewis darauf.
    Löber nickte. „Nun, da Sie anwesend sind und ich Ihre volle Aufmerksamkeit habe, wie ich hoffe, werde ich mit der Lektion beginnen.“
    Er sah von Lewis zu Herder und kniff prüfend die Augen zusammen. „Ja“, meinte er langsam, „ich denke, Herr Herder müsste jeden Augenblick erwachen.“ Er hob das Skalpell.
    „Wie Sie sehen, musste ich mich von der Schärfe des Instruments überzeugen.“
    Lewis erkannte, dass quer über die bloße Brust Herders die dünne rote Linie eines Schnittes verlief. Der Menge des Blutes nach zu urteilen war dieser jedoch nicht tief.
    Löber hatte Lewis’ Blick verfolgt und lächelte. „Natürlich habe ich ihn nicht sonderlich verletzt. Es wäre ungebührlich gewesen, ihm das unter Narkose anzutun.“
    Herder bewegte plötzlich den Kopf und stöhnte leise.
    „Ah“, sagte Löber mit dem Klang angenehmer Überraschung in der Stimme. „Es ist soweit. Aber ehe Herr Herder wieder völlig bei Sinnen ist, noch ein wenig Theorie für Sie, Herr Lewis. Wissen Sie, was Vivisektionbedeutet?“
    Lewis öffnete ängstlich den Mund, doch seine Stimme versagte ihm den Dienst.
    Löber winkte ab. „Es sei Ihnen verziehen. In Ihrer ersten und, wie ich hiermit anordne, auch letzten Lektion sollten Sie keine Bemerkungen von sich geben, sondern bloß lernen. Dazu müssen Sie genauestens hinsehen und -hören.“
    Mit diesen Worten zog er das Operationsmesser mit raschem Schnitt über Herders Brust, so dass sich zusammen mit dem vorherigen Schnitt ein Kreuz bildete. Herder schrie markerschütternd auf und warf den Kopf hin und her, seine Hände und Füße ruckten in die Höhe,

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