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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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gegenüber dem Anatomieturm. Als er näherkam, sah er, dass es sich um einen Reiter handelte, und sein Herz tat einen freudigen Sprung. Krafft!
    Lewis ritt etwas schneller, und als er mit dem Reiter auf gleicher Höhe war, öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, als ihm auffiel, dass er das Gesicht des Reiters unter dem Dreispitz nicht erkennen konnte. Es war von einer dunklen Halbmaske bedeckt.
    Lewis erschrak – solche Masken trugen die Schwarzen Brüder, wie er erfahren hatte, und somit war dieser Mann einer von Löbers Mördern. Seine Hand krampfte sich um die Zügel, er wollte losreiten und sich davonmachen, da hob der Mann die Hand. Der Lauf einer Pistole richtete sich schimmernd auf Lewis’ Herz, und dieser erstarrte.
    Dann bedeutete der Mann Lewis abzusteigen. Lewis kam der Aufforderung nach, vermied aber jede hastige Bewegung, aus Furcht, der Mann könne ihn niederschießen, wenn er einen Angriff wähnte. Er spürte, wie sein Herz gegen den Dolch klopfte, den er in seinem Rock verborgen hielt.
    Nun stieg auch der verhüllte Mann ab, ohne den Lauf der Pistole auch nur einen Lidschlag lang von Lewis fortzubewegen. Schließlich forderte er ihn stumm auf voranzugehen, über eine Brücke, die den Graben überspannte.
    Dann traten sie zwischen die stillen, nachtdunklen Mauern der Universität. Sie überquerten einen Hof, neben dem das steinerne Schiff der Collegienkirche aufragte, und einen weiteren, der zum Bibliotheksgebäude führte. Sie durchquerten auch dieses, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Lewis spürte den gesamten Weg über das Atmen des Maskierten in seinem Nacken und deutlicher noch den Lauf der Pistole, mit der ihm der Weg gewiesen wurde, in seinem Rücken.
    Dann traten sie wieder ins Freie, in den medizinischen Garten, in dem die Heilpflanzen wuchsen, die den Medizinstudenten als Anschauungsmaterial dienten. Jenseits des Herbariums erhob sich der achteckige Turm, der das Anatomische Theater beherbergte. In seinen langgestreckten Fenstern spiegelte sich die Dunkelheit, und auf dem spitzen Dach ragte eine kugelgeschmückte Spitze empor. Aus dem Inneren war kein Licht zu sehen und kein Laut zu hören, und doch wusste Lewis in diesem Augenblick, dass sich dort drinnen Löber befand – und wohl auch der junge Herder.
    Der Maskierte führte ihn an die Umgrenzung des Gartens heran und eine Stiege hinauf, die in einen Raum im Inneren der Mauer führte. Von hier erstreckte sich ein Gang zum Einlass des Turmes, in dem Lewis nun Licht sehen konnte. Er ging langsam darauf zu, immer noch den Lauf der Pistole im Rücken. Im schwachen Licht erkannte er eine Reihe von Gestalten, die sich rechts und links des Ganges postiert hatten.
    Sein Mut sank. Löber hatte also doch eine große Anzahl von Mitstreitern. Selbst wenn Krafft auftauchen würde, woran Lewis mit jedem Schritt, den er auf das Anatomische Theater zutrat, weniger glaubte, würde er es mit einer solchen Übermacht nicht aufnehmen können.
    Lewis näherte sich weiter den Männern, die wie eine Ehrenformation wirkten, die er abzuschreiten hatte. Oder stand ihm vielmehr das bevor, was in der preußischen Armee als Züchtigung diente, jenes schreckliche, als Spießrutenlaufen bezeichnete Abstrafen? Würde der Maskierte hinter ihm ihn jeden Augenblick durch einen Hagel von Schlägen treiben, damit Löber, der am anderen Ende wartete, ein gar so leichtes Spiel hatte?
    Immer näher kam er den Männern, und niemand regte sich. Lewis erkannte im schwachen Licht, dass sie keine Masken trugen und die Gesichter weißlich schimmerten. Ihre Blicke waren starr, ihre Kiefer grinsten.
    Da begriff Lewis, dass dies keine Menschen waren. An den Wänden dieser langgestreckten Kammer reihten sich Gerippe aneinander, menschliche Knochengerüste, die zu Studienzwecken dienten. Ihn schauderte, als er an ihnen vorbeischritt, und die toten Augenhöhlen, die auf ihn gerichtet waren, versetzten ihm Stiche, die möglicherweise schlimmer waren als Rutenhiebe. Würde er als eines dieser Skelette enden? Hatte Löber vor, seinen toten Körper allen Fleisches zu entledigen, die Knochen zu bleichen und dann hier aufzuhängen? Oder würde Löber ihn zwischen die Kadaver stecken, von denen Lewis durch Herder erfahren hatte: an denen die Medizinstudenten ihre Skalpelle wetzten, um die inneren Geheimnisse des menschlichen Leibes zu ergründen?
    Lewis konnte seine Gedanken nicht weiterspinnen, da der Maskierte ihn nun ins Licht des Anatomischen Theaters stieß. Er und sein maskierter

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